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Der Traum der Hebamme / Roman

Der Traum der Hebamme / Roman

Titel: Der Traum der Hebamme / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Bestimmt hatte Dietrich davon gesprochen; seine Mutter und Lukas standen ihm sehr nah. Vielleicht hatte sie manches auch in ihren merkwürdigen Träumen gesehen, von denen sie niemandem erzählen durfte außer seinem Vater und später Lukas und ihren Kindern.
    »Beinwell«, erklärte sie, während sie eine Salbe auf die Narbe strich. »Das hilft auch bei alten Wunden …«
    Im ersten Augenblick wollte er den Arm wegziehen, aber sie ließ ihn nicht los. Bald schloss er die Augen und erduldete es widerstandslos. Es tat gut … nicht nur das zerstoßene, in Schmalz gekochte Heilkraut, sondern auch die Berührung ihrer Fingerspitzen, die plötzlich die vernarbte Haut wieder zum Kribbeln brachten.
    Weshalb war er nicht schon eher zu ihr gegangen?
    »Du musst morgen den Arm gut bewegen können«, sagte sie, als hätte sie seinen Gedanken gelesen.
    Nachdem sie alles in die tiefe Wunde gerieben hatte, ließ sie los, lehnte sich gegen die Wand und sagte mit halb geschlossenen Augen: »Manchmal frage ich mich … nach all dem Schlimmen, was wir durchlebt haben … ob wir wohl noch jemals ein normales Leben führen können …«
    Verblüfft starrte er sie an. »Was meinst du damit: ein normales Leben?«
    »Ruhig. In Frieden. Gottgefällig«, antwortete sie leise.
    Dann zuckte sie hilflos mit den Schultern und fuhr fort: »Du hast getötet. Ich habe jemanden verflucht. Wir beide wünschen anderen Menschen den Tod für ihre Missetaten. Sollten wir nicht Reue fühlen oder wenigstens ein schlechtes Gewissen?«
    Jedem anderen hätte er auf der Stelle geantwortet, es sei nun einmal Aufgabe eines Ritters, Feinde zu töten, und schließlich habe er als frommer Christenmensch für jeden Tropfen Blut, der durch ihn vergossen wurde, die Beichte abgelegt und Absolution erteilt bekommen.
    Doch das war nicht die Antwort, die seine Mutter gelten lassen würde.
    Plötzlich musste er an Notker denken, den kleinen Mönch, einen jungen Benediktiner mit der schiefen Tonsur, einer seiner Weggefährten auf dem Kriegszug ins Heilige Land. Der kluge Notker hätte vielleicht eine Antwort gewusst.
    Wie es ihm wohl ergangen war? Nach der Einnahme Akkons war er nicht mit den anderen in die Heimat zurückgekehrt, in sein Kloster in Chemnitz, sondern geblieben. Er wollte die Kranken in dem behelfsmäßig unter einem Segel eingerichteten Hospital pflegen.
    Ob er immer noch dort war? Und ob es wohl mittlerweile ein richtiges Hospital für die Wallfahrer in Akkon gab?
    Vollkommen unerwartet verspürte Thomas plötzlich das Bedürfnis, darüber zu reden.
    »Sie haben ganz merkwürdige Heilmethoden im Morgenland«, erzählte er, und nun sprudelten die Worte nur so aus ihm heraus. »Das hättest du bestimmt gern gesehen! Die Heilkundigen stehen dort in hohem Ansehen. Obwohl sie nicht beten, bevor sie ihre Arbeit beginnen, was hier natürlich niemand gutheißen würde. Sie sind auch nicht so schnell mit der Knochensäge bei der Hand wie die hiesigen Wundärzte. Die Krankensäle sind hell und luftig. Sie legen einen geradezu absonderlichen Wert auf Reinlichkeit und geben den Kranken andauernd Obst zu essen.«
    Seine Mutter schien jedes dieser Worte in sich aufzusaugen. Er versuchte, sich an die Gerüche der Heiltränke und Salben zu erinnern, die er im Krankenlager in Antiochia bekommen hatte, als sich die Wallfahrer von den Strapazen des Marsches durch die Wüste und den Schlachten erholen konnten und er wochenlang im Fieber brannte. Manches war ihm bekannt vorgekommen, das meiste jedoch vollkommen fremd.
    »Wenn das Fieber nachließ, habe ich oft an dich gedacht«, sprach er weiter und lächelte in sich hinein. »Wie sehr dich das interessiert hätte. Aber ich konnte niemanden fragen, wie die Kräuter heißen, die sie da verwenden, weil niemand unsere Sprache sprach.«
    Aus einem Impuls heraus stand er auf – immer noch nur mit Bruche und Beinlingen bekleidet, weil er ja Rüstung und Bliaut hatte ausziehen müssen – und entstöpselte nacheinander jedes der Krüglein aus ihrem Korb, um daran zu riechen. Aber keiner der Gerüche wollte zu dem passen, was er aus Antiochia in Erinnerung hatte.
    »Sie haben eben ganz andere Pflanzen da«, meinte er enttäuscht.
    Nun lächelte auch Marthe.
    »Manche Heilkräuter aus dem Morgenland bekommt man für gutes Geld bei den jüdischen Händlern«, sagte sie. »Reinhard hat Clara welche geschenkt, als er um sie warb.«
    Mit einem Schlag war der lichte Moment vorbei.
    Reinhard war tot, die jüdischen Händler in

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