Der Traum der Hebamme / Roman
neue Steuer ausgedacht, mit der wir seinen Feldzug bezahlen … Es besteht keine Hoffnung, dass die Ratsherren mit ihren Bitten um Milde Gehör finden.«
»Das können sie auch nicht, da sie nur hinter vorgehaltener Hand flüstern«, meinte Karl verächtlich, der ebenfalls zu den zwölf Freiberger Consuln gehörte und aus eigener Anschauung wusste, wie wenig Rückgrat die meisten von ihnen besaßen. Nur Jonas, er und Friedrich wagten es, im Rat eine klare Sprache zu führen, was ihnen beträchtlichen Ärger und den Hass der Unterwürfigen einbrachte.
Guntram hatte währenddessen die beiden Burgwachen Kuno und Bertram nicht aus den Augen gelassen. Er warf einen kurzen Blick aus der Fensterluke auf das Gehöft, dann gab er sich einen Ruck. »Ich ziehe mit euch. Zu Graf Dietrich. Ich gehe nicht nach Meißen zurück. Meinem Meister habe ich schon gesagt, dass ich mich anderswo umschauen und bei einem Waffenschmied in die Lehre will. Vater wird also keinen Ärger bekommen, wenn ich nicht wieder auf dem Burghof auftauche. Aber Gott soll mich verdammen, wenn ich auch nur mit einem Handschlag dazu beitrage, dass Albrecht gegen seinen Bruder siegt!«
Kuno hieb ihm auf die Schulter. »Willkommen bei den Abtrünnigen! Du bist dir doch darüber im Klaren, dass Dietrichs Chancen gegen seinen Bruder ziemlich schlecht stehen? Er ist gerade erst aus dem Heiligen Land zurück. Und nach allem, was man hört, sind die meisten tot, die mit dem Kaiser auf diesen Kreuzzug gegangen sind. Er wird also kaum Kämpfer haben, um gegen die meißnische Übermacht zu bestehen.«
»Jedenfalls hat er nun drei Männer mehr«, gab Guntram zurück.
Er wäre gern bis zum Begräbnis seiner Mutter geblieben. Aber der bevorstehende Krieg machte diesen Wunsch zunichte.
Zur gleichen Zeit auf dem Meißner Burgberg
D ein Samen soll verdorren, Zorn und Verachtung sollen sich über dich senken. Deine Getreuen sollen sich von dir abwenden, und sterben sollst du von fremder Hand, verhasst von Gott und allen Menschen! Deine Seele ist verdammt in alle Ewigkeit und wird niemals Erlösung finden!«
Albrecht von Wettin, Markgraf von Meißen, konnte ein Schaudern nicht unterdrücken. Musste ihm ausgerechnet jetzt dieser Vorfall wieder vor Augen stehen? Da er doch zu einer Unternehmung aufbrach, die nur zu seinen Gunsten ausgehen konnte dank seiner Überlegenheit an Waffen, Männern, Kriegsgeschick?
Und da ihm sein gelehrter Ratgeber, der Astrologe, immer wieder versicherte, die Frau, die jenen Fluch ausgesprochen hatte, sei längst tot und ihrerseits verdammt, er brauche sich deshalb nicht im Geringsten zu sorgen?
Einen gewaltigen Schrecken hatte diese Hexe Marthe ihm damals eingejagt. Und dass sie spurlos aus dem Kerker verschwunden war, ohne den geringsten Hinweis darauf, wie dies geschehen konnte außer mit Hilfe des Teufels, machte die Sache erst recht bedrohlich. Zumal ihn immer noch die Furcht plagte, sein Vater könne im Jenseits wider ihn sprechen. Sein Vater, der ihm auf dem Sterbebett nicht vergeben hatte.
Doch dann sagte er sich, ebenfalls zum hundertsten Mal: Meine Gefolgsleute werden sich niemals von mir abwenden, sie gehorchen jedem meiner Befehle. Meine Leibwache ist unüberwindlich, gegen Giftanschläge bin ich gewappnet, und niemand wagt es, mir gegenüber auch nur ein Fünkchen Zorn oder Verachtung zu zeigen – dazu fürchten sie mich viel zu sehr. Ich bin Markgraf von Gottes Gnaden!
Er könnte die bohrenden Zweifel vielleicht verjagen, wäre da nicht dieser eine Satz: »Dein Samen soll verdorren …«
Sicher, wer so ein kaltes und langweiliges Eheweib hatte wie er, der sollte sich nicht wundern, wenn ihm sein Schwanz den Dienst versagte. Zwar achtete er darauf, seiner Gemahlin an allen Tagen beizuliegen, die der Astrologe für geeignet hielt, um einen Sohn zu zeugen. Aber der gewünschte Erfolg blieb aus. In den endlos scheinenden Jahren einer von beiderseitigem Widerwillen geprägten Ehe hatte ihm Sophia, die Tochter des Herzogs von Böhmen, zwar eine Tochter geboren, jedoch noch keinen Erben.
Und seit dem Fluch dieser Unheilbringerin Marthe hatte er Mühe, sein Weib überhaupt noch besteigen zu können. Die Hexe hatte ihm die Manneskraft geraubt!
Mit jäh aufflammender Wut hieb er die Faust auf den Tisch, dass es krachte.
Als er aufblickte, sah er, wie zwei Männer sich ihm näherten, die unterschiedlicher nicht sein konnten: der eine groß und kampferfahren, zugleich unschlagbar in Ränken – Elmar, sein Truchsess, sein
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