Der Traum der Hebamme / Roman
durch, ja? Du hast es gleich geschafft!«
Sie packte nasse, kühlende Tücher über die Wunde, presste die Hand darauf, um den Blutfluss zu mindern, und schickte eine der ihr zugeteilten Mägde zum Schmied, damit sie diesen um seine kleinste Zange bat. »Gibt es hier auf der Burg kein Gerät, mit dem man Pfeile herausziehen kann?«, fragte sie Clara.
Die legte derweil zwei Kautereisen in ein Becken mit glühenden Kohlen und strich sich mit dem Handrücken über die Stirn, auf der kleine Schweißperlen standen. »Nein. Und der hiesige Schmied kann uns so etwas auch nicht herstellen; er ist zu alt, seine Hände sind schon so gichtig, dass es an ein Wunder grenzt, wenn er überhaupt noch am Amboss steht.«
»Vielleicht kann der neue Schmied Abhilfe schaffen«, meinte Graf Dietrich zu beider Überraschung, während er sich duckte, um in den dämmrigen Raum zu treten.
»Wie geht es den Männern?«
»So Gott will, werden alle überleben«, antwortete Marthe und stand auf. »Aber Ihr dürft hier nicht bleiben! Ihr müsst in die Halle, die Menschen beruhigen … Die Frau des Verwalters schafft das nicht.«
Während Marthe auf Dietrich einsprach, kam die Magd zurück und reichte ihr mit einem Knicks eine schmale Zange.
Hastig kniete sie erneut an der Seite des Verletzten nieder, vergewisserte sich, dass Clara mit den Kautereisen bereitstand, sprach ein schnelles Gebet und zog die Spitze mit einem Griff heraus. Schon war Clara an ihrer Seite und legte das glühende Eisen auf die stark blutende Wunde. Es zischte, beißender Gestank breitete sich aus, der Verwundete brüllte vor Schmerz.
»Dann kommt mit mir und helft!«, entschied Dietrich. »Ich denke, Eure Tochter schafft das hier vorerst allein. Wenn sie Hilfe braucht, schicke ich Euch Thomas.«
»Thomas?«, fragten beide Frauen erstaunt wie aus einem Mund.
Dietrich lächelte. »Es scheint wohl in der Familie zu liegen. Auf dem Kreuzzug hat er mehreren Männern das Leben gerettet, als kein Feldscher in der Nähe war.«
Nachdem sie ihrem inzwischen bewusstlos gewordenen Patienten noch einmal die Hand auf die Stirn gelegt hatte, stemmte Marthe sich hoch und ging zu einem der Eimer, die sie hatte bringen lassen, um sich das Blut von den Händen zu spülen.
»Seine Blässe gefällt mir nicht. Versuch, ihn wieder zu sich zu bringen und ihm viel zu trinken zu geben«, riet sie Clara auf dem Weg zur Tür.
»Ich weiß«, antwortete diese. »Geh nur, du wirst in der Halle dringender gebraucht!«
Diese Worte gaben Dietrich sehr zu denken. Was war dort los, wenn auch Clara meinte, ihre Mutter würde dort dringender gebraucht als bei den Verletzten?
Als Dietrich und Marthe den Burghof betraten, brach die Sonne noch einmal durch die Wolken. Nicht mehr lange, und sie würde am Horizont versinken.
Marthe schaute sich aufmerksam um. In der Verwundetenkammer hatte sie nichts davon mitbekommen, was seit Dietrichs Rückkehr von der Furt vor sich gegangen war. Nun sah sie, dass das Backhaus gebrannt hatte, das Feuer aber gelöscht worden war, ehe es auf die anderen Gebäude übergreifen konnte. Alle Wehrgänge waren noch mit Bogenschützen besetzt. Also begann Albrecht, sie zu belagern? Dass seine Leute auch Tauchlitz niedergebrannt hatten, hatte sich sogar bis ins Krankenlager herumgesprochen.
»Mein Bruder sammelt seine Männer dort auf dem Berg«, erklärte ihr Dietrich. »Also hat er trotz seiner Verluste nicht vor, abzuziehen. Aber ich rechne auch nicht damit, dass er so schnell aufgibt. Könnt Ihr mir sagen, wie lange unsere Vorräte für Besatzung und Flüchtlinge reichen?«
»Das müsste ich mit Gertrud überprüfen. Sie hat den Überblick verloren, das gibt sie selbst zu.«
Dietrich rief einen der Knappen zu sich, der in diesem Moment aus den Ställen trat. »Hol die Frau des Verwalters, rasch! Und den Kommandanten!«
»Sofort, Hoheit!«
Er und Marthe hatten den Palas kaum erreicht, als der Knappe zurückkam – in Begleitung des graubärtigen Verwalters statt mit dessen Frau.
»Wo ist Eure Gemahlin, Gottfried?«, fragte Dietrich ungeduldig.
»Verzeiht mir, Hoheit! Sie ist krank …« Der alte Mann wand sich vor Verlegenheit.
»Bringt uns zu ihr!«, befahl der Graf.
Vorsichtig öffnete der Verwalter die Tür zu seiner Schlafstatt. Dort kniete Gertrud mit schweißnassem Gesicht über eine Schüssel gebeugt und würgte. Das einengende Gebende hatte sie heruntergezerrt. Als sie sah, wer ihren Mann begleitete, schlug sie die Hände vors Gesicht. Aber sie
Weitere Kostenlose Bücher