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Saeculum

Titel: Saeculum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poznanski Ursula
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    B astian hörte das Klirren der Schwerter schon von Weitem. Es kam aus der Richtung des Burgwalls, von dort, wo das Gedränge am größten war. Irgendwo in dieser Menschenmenge musste Sandra verschwunden sein, während er sich von getrockneten Kräutern hatte ablenken lassen. Er schob seine Brille ins Haar und rieb sich die Augen. Statt zu lernen, hätte er letzte Nacht schlafen sollen. Und nirgendwo auf diesem ganzen Mittelaltermarkt gab es Kaffee. Nur Met, Bier und Obstsäfte. Ach ja, Liebestränke nicht zu vergessen. Er grinste. An dem Verkaufsstand für Hexenzubehör hatte Sandra ihm ein Flakon unter die Nase gehalten, aus dem penetrantes Vanillearoma aufgestiegen war.
    »Ein Schluck und du bist mir auf ewig verfallen«, hatte sie geflüstert und ihn von der Seite angesehen. Kurz darauf war sie ihm abhandengekommen, untergetaucht zwischen den Marktbesuchern, die zum Schaukampf strömten.
    Bastian setzte sich die Brille wieder auf die Nase und versuchte, im Gedränge Sandras helle Locken auszumachen.
    »Suchst du etwas?« Ein fülliges, dunkelhaariges Mädchen trat ihm in den Weg; ihr langes schwarzes Kleid glitzerte im Sonnenlicht. Bastian schätzte sie auf zweiundzwanzig oder dreiundzwanzig, aber die Kajalstriche um ihre Augen waren dick wie Balken und machten sie älter, als sie wahrscheinlich war. »Willst du wissen, was Schicksal und Zukunft für dich bereithalten?« Sie griff ohne viel Federlesen nach seiner Hand und drehte sie mit der Fläche nach oben.
    »Nein, ich will wissen, wo meine Freundin abgeblieben ist«, sagte er, während das Mädchen mit einem kurzen, rissigen Fingernagel seine Handlinien entlangfuhr.
    »Wie sieht sie aus?«
    »Ungefähr so groß wie du, schlank, trägt ein mittelalterliches Miederkleid. In Rot und Braun.«
    »Oh. Warte … ich sehe etwas … deine Herzlinie ist sehr ausgeprägt … die Person, die du suchst, hat lockiges, dunkelblondes Haar, richtig? Grüne Augen. Und - sie heißt Sandra.«
    Verblüfft zog Bastian seine Hand zurück. »Verrätst du mir deinen Trick?«
    Das Mädchen musterte ihn ernst. »Kein Trick. Ich kenne sie. Sie war kurz hier und ist dann weiter zum Turnierplatz gegangen, die Kämpfe haben vorhin begonnen. Bei dem kleinen Mäuerchen da vorne musst du nach links.« Wieder nahm sie seine Hand und betrachtete sie eingehend. Auf ihren Fingerknöcheln entdeckte Bastian dunkelblaue Zeichen, aufgemalt oder eintätowiert.
    »Etwas Neues kommt auf dich zu, etwas Großes«, murmelte sie. »Wenn du nicht vorsichtig bist, wird es dich völlig aus dem Gleichgewicht bringen und unter sich begraben.«
    Bastian zog seine Hand zurück und grinste. »Meine Physio-Klausur. Dafür ist groß gar kein Ausdruck.«
    Das Mädchen erwiderte sein Lächeln nicht. »Ich mache keine Witze. Wenn ich sage, etwas Großes, dann meine ich das auch. Du solltest vorsichtig sein. Wenn du möchtest, werfe ich die Runen für dich, das gibt Klarheit.«
    Ja, sicher. »Danke, aber ich glaube, ich habe Klarheit genug.«
    »Wie du meinst. Falls du es dir anders überlegst, frag nach mir, mich kennen hier alle.« Wieder nahm sie seine Hand, aber diesmal, um sie zu schütteln. »Ich bin Doro.«
    »Bastian.«
    »Ich weiß.«
    Er schmunzelte innerlich. Doro gab eine perfekte Jahrmarktshexe ab mit ihrer rauen Stimme, den tief liegenden Augen und den Brauen, die sich wie dicke Raupen darüberwölbten. Trotzdem entwand er seine Hand ihrem Griff, der eine Spur zu fest war, um angenehm zu sein. Sie nickte, als hätte sie nichts anderes erwartet.
    Bastian war froh, ein freundliches Winken später wieder in der Menge untertauchen zu können. Zumindest einen von Doros Ratschlägen würde er befolgen, nämlich an dem Mäuerchen abzubiegen und den Turnierplatz anzusteuern. Er bahnte sich einen Weg durch ein Rudel von Männern im Schottenrock mit bleichen nackten Oberkörpern. War das auch mittelalterlich? Wie auch immer, bis zum Abend würde die Frühlingssonne ihnen einen kräftigen Sonnenbrand beschert haben. Herzlichen Glückwunsch.
    Er atmete tief ein und schob den Gedanken beiseite. Abschalten hieß die Devise. Mal nicht ans Medizinstudium denken. Das hatte er sich redlich verdient.
    Eine Gruppe von Frauen in aufwendigen Hofdamenkostümen stand ihm im Weg, er zwängte sich vorbei und bog an der letzten Verkaufsbude ab. Da vorne musste der Turnierplatz sein. Bastian blinzelte ins Sonnenlicht und prompt rannte ihm ein blonder Knirps mit voller Wucht gegen die Beine, offenbar auf der Flucht vor seiner

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