Der Traum des Teufels
eine Art Übervampir schaffen?", fragte Stuart dann in die Stille hinein. Der junge Schotte war mit der ganzen Sache völlig überfordert. Die heute existierende Vampirszene und ihre Gesetze waren schon ein Buch mit sieben Siegeln für ihn. Wieder so ein Augenblick, wo er daran zweifelte, dass er für diese Existenz geeignet war. Mit den Zweifeln stand er nicht allein, das wusste er. Und es ärgerte ihn. Wenn Jason kein Fürst gewesen wäre und ihn hätte wandeln können, wäre er jetzt tot. Aber besser, als ein Leben lang im Koma in der Klinik dahin zu vegetieren. Jason hatte ihn gleichzeitig gerettet und verdammt. Andererseits wusste er, dass auch sein früherer Erschaffer lange Zeit mit seinem Schicksal gehadert und selbst viele Fehler gemacht hatte.
Den gibt es bereits. Der würde in Ayleen heranwachsen, hätte sie nicht den ewigen Schlaf gewählt, fuhr es dem Halbengel bei Stuarts Frage durch den Kopf, und wieder einmal verfluchte er die schöne Fürstin Lady Alderley, die ihm diese Tochter geschenkt und durch ihre üblen Pläne gleichzeitig wieder genommen hatte. Sie hätte sich bestimmt mit diesem Verrückten gut verstanden. Gott sei Dank war sie tot. Sie hatten auch ohne diese Intrigantin genug Probleme.
"Den Plan wird er nach wie vor hegen. Oder er will sich selbst als solchen feiern lassen, wenn er euch diese Fähigkeit durch eine einfache Impfung zurückgeben kann. Vergesst nicht, dass wir es nicht mit einem normalen Hirn zu tun haben. Schon als Mensch muss er geistesgestört gewesen sein, um so viele Gräueltaten zu begehen, ohne Mitleid zu haben. Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass er schon so einige Hybriden als Anhänger um sich versammeln könnte", überlegte der Atlanter laut. Shane ballte bei diesen Worten die Fäuste. Er hatte auch noch eine Rechnung mit dem Kerl offen.
"Aber wenn er das bezwecken würde, brauchte er doch nur einfach neue Vampire zu erschaffen", meinte Jason.
Ein verächtliches Schnauben von Seiten des Halbengels folgte auf diesen Satz, bevor er antwortete: "Schöpfer sein bedeutet Verantwortung, und die wird er nicht übernehmen wollen. Er ist einfach nicht der Typ dafür."
Miles ließ sich mit einem lauten Seufzer in einen Sessel fallen. "Also gut, Leute, zurück zum Thema. Auf jeden Fall braucht er für seine Folterungen und die ganzen Entwicklungen eine gute Ausrüstung und Unterstützung. Allein schafft er es nicht."
"Allein schafft er es nicht", wiederholte Leander. "Dann kann er sich nur an einen wenden, den er kennt und der ihm vertraut. Es gibt außer ihm keinen großen Alten mehr. Nur noch dieses Gespenst, das ihn erschaffen hat. Wer verbirgt sich hinter dem Namen Dhrakor?"
Jason ging diesmal unaufgefordert aus dem Zimmer, um ein zweites Mal zu versuchen, Kontakt mit dem Fürsten aufzunehmen. Er spürte die hoffnungsvollen Blicke seiner Gefährten in seinem Rücken.
* * *
Ähnliche Gedanken gingen dem Vampirfürsten Dr. Joseph Mengele durch den Kopf. Er spürte, wie sich in dem empathischen Netz der Unsterblichen etwas auf der Suche nach ihm begab, allerdings noch weit entfernt. Ein anderer Gedanke zuckte durch ihn hindurch, bevor er in den bewegungslosen Schlaf fiel. Hatte er selbst eigentlich jemals versucht, eine andere Gestalt anzunehmen? Er konnte sich nicht daran erinnern. Irgendwie hatte er es niemals für notwendig erachtet. Es gab keine Vampirjäger mehr, und die Menschen verfolgten sie nicht mehr seit dem letzten großen Krieg. Kein Wunder, dass die Hybriden diese Fähigkeit komplett verloren hatten.
Bis zum späten Nachmittag nach seiner Flucht vom Hochhaus hatte er in einem verlassenen Haus am Ufer der Spree verbracht, in dem sonst nur Obdachlose schliefen. Es stank nach Schweiß, Unrat und Alkohol, doch er brauchte unbedingt ein paar Stunden Schlaf. Zu sehr war er noch den vergangenen Zwängen unterworfen, die die Wesen der Nacht tagsüber ruhen ließen. Jetzt war er froh, sein ekelerregendes Quartier verlassen zu können. Eine kleine Dosis Hybridenblut machte es möglich, noch vor der tatsächlichen Dämmerung aktiv werden zu können und ihm einen weiteren Vorsprung zu verschaffen. Das erinnerte ihn daran, dass er bald wieder Nachschub brauchte. Aber zunächst brauchte er eine andere kleine Stärkung. Ein harmloser Angler musste an diesem Nachmittag sein Leben lassen. Die Polizei würde ihn Tage später als Wasserleiche bergen.
Vollgepumpt mit dem Blut der Lebenden fühlte der Seelenlose sich schon wesentlich besser. Die
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