Der Traum des Teufels
Der Traum des Teufels
"Wenn ich nur wüsste, was dieser Kerl vorhat", murmelte Leander. Die Stille im Raum war fast unerträglich. Die gemietete Stadtvilla in Berlin bot genug Platz für sie alle. Der Halbengel hatte zu einer Besprechung im Wohnzimmer, das man mit Recht als Salon bezeichnen konnte, gebeten. Sie durften keine Zeit verlieren, um den letzten der sieben alten Vampirfürsten zur Strecke zu bringen, die Xavier wieder erweckt hatte: den ehemaligen KZ-Arzt Josef Mengele. Das im letzten Augenblick befreite Opfer, die junge Hybridenvampirin Valentina Sacharowa, eine Deutschrussin, befand sich im ersten Stock und erholte sich von ihrer Folter.
"Er hat früher mit Blut experimentiert, er wird das auch weiterhin tun", knurrte Shane, der lässig auf dem Biedermeier-Sofa saß. Auf dem Tisch vor ihm stapelten sich elegante Modemagazine, die einen fast komischen Kontrast zu dem hochgewachsenen, hageren Gothic bildeten.
Miles gab ihm recht. "Und er wird sich nicht mehr damit begnügen, die Hybriden zu schröpfen." Der Schotte saß ihm schräg gegenüber auf einem zweiten, kleineren Sofa neben Weston. Jason Dawn und Stuart Rutherford hatten es sich in Sesseln bequem gemacht und bislang der Unterhaltung stillschweigend gelauscht.
Leander Knight, der Halbengel aus Atlantis, stand am Fenster und starrte hinaus. Die Dunkelheit hatte sich über Berlin gesenkt und ließ die Stadt in zuckendem Lichterglanz erwachen, der durch die hohen Bäume des Gartens nur schwach zu erkennen war.
Jetzt wandte er sich zu den anderen um. "Wir dürfen den Kopf nicht verlieren", meinte er. "Gehen wir die Sache mal logisch an, denken wir wie er, wie ein Wissenschaftler"
Kopf verlieren war gerade gut, dachte Jason zynisch, angesichts der Tatsache, dass das Hotelzimmer voller Vampire war und er der einzige Mensch darunter. Wohlfühlen war etwas anderes! Jetzt wusste er, wie sich warmblütige Wesen fühlten, die von Reptilien umzingelt waren. So richtig akklimatisiert hatte er sich noch nicht in seiner neuen Existenz.
Die vier Musiker aus Jasons ehemaliger Band, der junge Fürst Stuart Rutherford, Leander und Jason selbst setzten sich im Halbkreis um den Wohnzimmertisch, auf dem sich Kartenmaterial, Kopien aus historischen Büchern und Notizen stapelten. In Jason kochte dieser schwarze Humor aus früheren Zeiten hoch: Und jetzt gründen wir eine Selbsthilfegruppe gegen alte Vampirfürsten. Besser, er behielt diese Bemerkung für sich.
Shane grinste ihn plötzlich an und zwinkerte ihm zu.
Verdammt, die Typen können ja Gedanken lesen!
Jason räusperte sich. Sein jetziges Dasein war echt gewöhnungsbedürftig. "Fassen wir zusammen: So, wie es jetzt aussieht, wurde Mengele von Dhrakor, dem Vasallen von Antaris, der ganz offensichtlich wiedererweckt wurde - von wem auch immer - vor langer Zeit gewandelt. Der Typ ist jedenfalls ein skrupelloser Sadist und Massenmörder und von Blut wie besessen", begann er daher vorsichtig.
"Genetik", verbesserte Miles ihn.
Alle Augen wandten sich dem Bassisten zu.
"Die Nazis haben alle möglichen Zuchtversuche angestellt, im Tier-, Pflanzen- und Menschenbereich, das wisst ihr doch. Und sie müssen verdammt gut gewesen sein, denn noch heute basieren einige moderne Forschungen auf ihren Ergebnissen."
"Und was will er jetzt züchten?", fragte Jason - der sich langsam komplett überflüssig vorkam - eher schüchtern.
"Den absoluten Übervampir, vermute ich mal", kam eine zarte weibliche Stimme von der Türe her. Valentina hatte unbemerkt den Raum betreten. Sie sah immer noch schwach und mitgenommen aus, doch es ging ihr sichtlich besser. Ihre Heilkräfte waren noch nicht vollständig zurückgekehrt, sodass die ihr zugeführten Schnittwunden auf der blassen Haut noch rosig schimmerten. Offenbar hatte sie geduscht und sich frische Kleidung vom Hotel besorgen lassen. Trotz der erlittenen Folter sah sie immer noch umwerfend aus in dem dunkelblauen Top zu einer gleichfarbigen Jeans. Das betonte die Farbe ihrer Augen und das goldblonde Haar, das sie zu einem Pferdeschwanz hochgebunden hatte. Lässig und elegant stand sie da. Bewundernde Blicke folgten ihr durch den Raum. Jason bemerkte in Miles markantem Gesicht ein Lächeln, und der Schotte lächelte selten!
"Ist doch Kinderkram. Hatten wir das nicht schon mal?", brummte Weston bei Valentinas Antwort.
Leander nickte zustimmend. "Richtig, aber gegen diesen Knaben ist unsere Lady Alderley eine Träumerin." Obwohl sie
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