Der Traum des Wolfs
Tasse nach, dabei griff sie auf dieselben Fertigkeiten zurück, die sie bei der Bedienung von Sevanna kultiviert hatte. Manchmal schien man als Diener mehr Verstohlenheit zu brauchen als ein Kundschafter. Sie durfte nicht wahrgenommen werden, durfte nicht ablenken. Hatten sich ihre Diener in ihrer Nähe ebenfalls so verhalten?
»Nun«, sagte Arganda, »falls sich jemand fragt, in welche Richtung wir unterwegs sind, dann ist der Rauch von diesem Feuer ein sicherer Hinweis.«
»Wir sind viel zu viele Menschen, um daran denken zu können, uns zu verbergen«, sagte Seonid. Kürzlich hatte man ihr und Masuri die Erlaubnis erteilt, sprechen zu dürfen, ohne von den Weisen Frauen gerügt zu werden, obwohl die Grüne immer noch zu den Aiel blickte, bevor sie das Wort ergriff. Das zu sehen ärgerte Morgase maßlos. Schwestern aus der Weißen Burg, die man zu den Lehrlingen einer Horde Wilden machte? Angeblich war das aufgrund von Rand al’Thors Befehl geschehen, aber wie konnte ein Mann zu so etwas nur fähig sein? Selbst wenn es sich um den Wiedergeborenen Drachen handelte?
Es bereitete ihr Unbehagen, dass sich die beiden Aes Sedai nicht länger gegen ihre Stellung aufzulehnen schienen. Die Stellung eines jeden konnte sich dramatisch ändern. Diese Lektion hatten Gaebril und dann Valda Morgase erteilt. Die Gefangenschaft bei den Aiel war lediglich ein weiterer Schritt in diesem Prozess gewesen.
Jede dieser Erfahrungen hatte sie weiter von der Königin entfernt, die sie einst gewesen war. Sie sehnte sich nicht länger nach schönen Dingen oder ihrem Thron. Sie wollte nur etwas Beständigkeit. Anscheinend war das eine Handelsware, die noch kostbarer als Gold war.
»Das spielt keine Rolle«, sagte Perrin und tippte auf die Karte. »Also, sind wir uns einig? Wir jagen hinter Gill und den anderen her, schicken mit Wegetoren Kundschafter aus, um sie nach Möglichkeit zu finden. Hoffentlich erwischen wir sie, bevor sie Lugard erreichen. Wie lange dauert es bis zu der Stadt, was meint Ihr, Arganda?«
»Kommt auf den Schlamm an«, sagte der sehnige Soldat. »Es gibt einen Grund, warum wir diese Jahreszeit Versumpfen nennen. Schlaue Männer reisen nicht während dieser Frühlingschmelze.«
»Weisheit ist für die, die Zeit dafür haben«, murmelte Perrin und zählte mit den Fingern die Distanz auf der Karte.
Morgase ging los, um Annouras Tasse aufzufüllen. Tee einzugießen war komplizierter, als sie j e gedacht hätte. Sie musste wissen, welche Tasse man zur Seite nehmen und dort nachfüllen musste, und welche man füllen konnte, solange sie sie hielten. Sie musste ganz genau wissen, wie weit sie eine Tasse füllen durfte, ohne dass sie überlief, und wie man den Tee eingießen musste, ohne gegen das Porzellan zu stoßen oder etwas zu verschütten. Sie wusste, wann man sie nicht wahrnehmen sollte und wann man ein kleines Schauspiel abziehen musste für den Fall, dass sie Leute übersehen, sie vergessen oder ihre Bedürfnisse falsch eingeschätzt hatte.
Vorsichtig hob sie Perrins Tasse vom Boden neben ihm auf. Er gestikulierte gern, wenn er sprach, und konnte ihr die Tasse aus der Hand schlagen, wenn sie nicht aufpasste. Alles in allem war Tee zu reichen eine erstaunliche Kunst - eine ganze Welt, die Morgase die Königin sich nie die Mühe gemacht hatte wahrzunehmen.
Sie füllte Perrins Tasse auf und stellte sie wieder neben ihm ab. Perrin stellte weitere Fragen über die Karte - in der Nähe befindliche Städte, potenzielle Möglichkeiten, sich zu versorgen. Er war ein vielversprechender Anführer, selbst wenn er ziemlich unerfahren darin war. Ein paar kleine Ratschläge von Morgase…
Sie verwarf den Gedanken. Perrin Aybara war ein Rebell.
Die Zwei Flüsse waren ein Teil von Andor, und er hatte sich zu seinem Lord ernannt, führte dieses Wolfskopfbanner. Wenigstens hatte man die Flagge von Manetheren eingeholt. Sie zu führen war so gut wie eine offene Kriegserklärung gewesen.
Morgase ärgerte sich nicht länger jedes Mal, wenn ihn jemand Lord nannte, aber sie hatte auch nicht vor, ihm Hilfe anzubieten. Nicht bis sie entschieden hatte, wie sie ihn wieder unter den Mantel der andoranischen Monarchie bekam.
Außerdem ist Faile schlau genug, um genau den Rat zu gehen, den ich auch gegeben hätte, gestand sich Morgase widerstrebend ein.
Tatsächlich war Faile eine perfekte Ergänzung für Perrin. Wo er eine stumpfe und gesenkte Lanze bei einem Sturmangriff war, verkörperte sie einen vielseitigen Kavalleriebogen. Aber
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