Der Traurige Polizist
Sergeant |25| O’Grady, die Constables Turner, Maponya und Snyman. Wir werden uns alle kennenlernen, Kollegen. Und Captain Gerbrand Vos hat
das Einsatzkommando über die Feiertage geleitet. Captain, haben Sie uns etwas zu sagen?«
Der Arbeitsalltag eines Mitgliedes der Mordkommission ließ nicht viel Raum für Mitgefühl, wenn ein Kollege aus dem Gleichgewicht
geriet. Man fühlte mit, weil es jedem passieren konnte. Man war dankbar, daß es einem nicht selbst geschehen war. Und ein
oder zwei Monate lang hat man sogar richtig Mitleid, bis der entsprechende Kollege nur noch ein Mühlstein um den eigenen Hals
war, den man bei der Arbeit mitschleppte.
Zwei Kollegen der Mordkommission hatten zwei ganze Jahre lang Mitleid mit Mat Joubert gehabt – jeder aus seinen eigenen Gründen.
Bei Gerbrand Vos war es Nostalgie. Joubert und er hatten zusammen als Detective Sergeants bei der Mordkommission angefangen.
Zwei leuchtende neue Sterne. Willie Theal hatte es ihnen erlaubt, zu wetteifern, mehr und mehr Auszeichnungen einzuheimsen,
aber sie wurden gemeinsam Adjutanten, Lieutenants. Innerhalb der Polizei waren sie landesweit bekannt. Die afrikaanse Zeitung
Die Burger
veröffentlichte einen wunderbaren Artikel über sie, als sie zeitgleich zum Captain befördert wurden. Immer zeitgleich. Die
junge Reporterin war offensichtlich von beiden beeindruckt gewesen.
Captain Vos ist der Extrovertierte, ein großgewachsener Mann mit dem Gesicht eines Engels, er hat Grübchen und babyblaue Augen.
Captain Mat Joubert ist der stillere von beiden. Er ist noch größer, seine Schultern haben die Breite eines Schranks, und
er hat das Gesicht eines Falken – braune Augen, mit denen
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er direkt durch einen hindurchzusehen scheint
, hatte sie damals geschrieben.
Dann aber starb Lara, und Vos akzeptierte, daß sein Kollege sich nicht mehr länger messen wollte. Und er wartete darauf, daß
Joubert seinen Trauerprozeß abschloß. Gerbrand Vos wartete noch immer.
Joubert war mit der ersten Akte des Tages beschäftigt. Siebzehn weitere lagen in drei Stapeln auf seinem Schreibtisch, gelbgraue
Akten, die sein Leben regelten. Er hörte Vos’ kräftige Schritte auf den schlichten grauen Fliesen im Flur, er hörte, daß sie
nicht im Büro nebenan verschwanden. Dann stand Vos in der Tür, seine Stimme gedämpft, als wäre de Wit in der Nähe.
»Allgemeine Wettervorhersage: große Scheiße«, sagte er. Für Gerbrand Vos war Sprache ein Schlaginstrument.
Joubert nickte. Vos setzte sich auf einen der blaugrauen Stühle. »Patrioten! Teufel, die machen mich so wütend. Und Scotland
Yard. Was weiß Scotland Yard denn schon von Afrika, Mat? Und dauernd ›Kollegen‹. Was für ein Chef nennt seine Leute denn ›Kollegen‹?«
»Er ist neu, Gerry. Das geht vorbei.«
»Er will uns sehen. Er hat mich in der Teeküche angesprochen und gesagt, er will jeden einzelnen von uns allein sprechen.
Ich soll …« – Vos schaute auf seine Uhr – »… jetzt bei ihm sein. Und du bist als nächster dran. Wir müssen zusammenhalten,
Mat. Wir sind die beiden Dienstältesten hier. Wir müssen es diesem Arschloch von Anfang an zeigen. Hast du ihn über Fitneß
reden gehört? Ich sehe uns schon jeden Morgen auf dem Parkplatz trainieren.«
Joubert lächelte schwach.
Vos stand auf. »Ich sag dir Bescheid, wenn ich fertig bin. |27| Aber vergiß nicht: Wir müssen zusammenhalten. Selbst wenn wir keine gottverdammten Patrioten sind.«
»Ist schon okay, alles nur Gerede, Mat«, sagte Vos fünfunddreißig Minuten später, als er wieder hereinkam. »Er wartet auf
dich. Sehr freundlich und voller Komplimente.«
Joubert seufzte, zog sein Jackett an und ging durch den Flur.
Colonel Bart de Wit hatte Willie Theals Büro in sein eigenes verwandelt, stellte Joubert fest, nachdem er geklopft hatte und
hereingebeten worden war.
Die Mannschaftsfotos an der Wand waren verschwunden, ebenso der schmutziggrüne Teppich auf dem Boden und die kranke Topfpflanze
in der Ecke. Drei Diplome hingen jetzt an der frisch gestrichenen weißen Wand. Der Boden war mit polizeiblauem Teppich ausgelegt,
und in der Ecke stand ein Tischchen, auf dem ein kleines Schild verkündete ICH ZIEHE ES VOR, NICHT ZU RAUCHEN. Auf dem Schreibtisch
stand ein Rahmen mit vier Fotos – eine lächelnde Frau mit einem dicken Brillengestell, ein Junge mit der Nase seines Vaters,
ein Mädchen mit einem dicken Brillengestell. Das letzte Bild zeigte de Wit mit dem Minister
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