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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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empfangen zu werden. Mein Vater besitzt ein Landgut in Perusia, in der Nähe deiner Heimat.«
    »Das ist mir durchaus bekannt, und ich erinnerte mich daran, als der Bote heute Mittag dein Kommen ankündigte. Meines Vaters Hof ist allerdings nicht der Rede wert, mein Bruder hat ihn geerbt, und heute muss ich ihm an allen Ecken und Enden mit Geld aushelfen.«
    Cinna gab sich Mühe, in Herennius’ dröhnendes Gelächter einzufallen, beendete den Versuch aber rasch. »Wir benötigen Unterkunft für diesen Mann, Marcus Vinicius Ravanus, und seine Schwestern sowie für die Leute, die uns begleiten.«
    »Marcus Vinicius?« Über Herennius’ Züge huschte ein Schatten. »Dann hat sein Vater sich vor einigen Jahren das Bürgerrecht verdient.«
    »Das hat er«, entgegnete Hraban zögerlich.
    »Und seine Männer haben in den Hilfstruppen gedient«, fügte Herennius scharf hinzu.
    »Wie du siehst, ist Ravanus zu jung, um einer dieser Truppen angehört zu haben«, mischte Cinna sich ein, ehe Hraban antworten konnte. »Es gibt keinen Anlass zur Sorge. Sein Vater ist ein Gegner des Arminius.«
    Herennius spuckte neben sich auf den Boden und knurrte einen Fluch, als der Name des Feindes fiel.
    »Sie haben mir mehrmals das Leben gerettet vor dem Verräter«, setzte Cinna nach. »Und sie haben mich aus dem Herzen des Landes der Cherusker hierher geleitet. In meinen Augen beweist das genug Treue.«
    »Die Leute können leer stehende Mannschaftsquartiere beziehen«, brummte Herennius. »Dich als Gast meines bescheidenen Hauses zu sehen, wird mir hingegen eine Ehre sein.«
    Er drehte sich um, entfernte sich einige Schritte, doch Cinna folgte ihm nicht, so dass er stehen blieb.
    »Lass es gut sein!«, flüsterte Hraban. »Tu, was er sagt. Wir gehören zum Feind. Er darf uns nicht mit seiner Gastfreundschaft ehren.«
    »Ich will nicht, dass Sunja und Saldir mitten unter den Soldaten untergebracht werden. Was, wenn ihnen etwas zustößt?«
    »Ich werde auf sie aufpassen.«
    »Das kannst du nicht! Hier ist nicht deines Vaters Land, wir sind im römischen Imperium.«
    Auf einen Wink war ein Soldat zu Herennius getreten und flüsterte ihm etwas zu, ohne Cinna und Hraban aus den Augen zu lassen, ein Übersetzer. Herennius hatte offenbar das Wort Imperium aufgeschnappt und war hellhörig geworden; er musterte Cinna mit schräg gelegtem Kopf und schmalen Augen.
    »Die Mädchen können in mein Haus gebracht werden«, rief er schließlich herüber. »In den Mannschaftsquartieren schafft ihre Anwesenheit nur Unruhe.«
    Als er, begleitet von dem Übersetzer und weiteren Gefreiten, seinen Weg fortsetzte, wechselten Cinna und Hraban einen raschen Blick. Auf eine Kopfbewegung Hrabans hin folgten die Mädchen Cinna, der hinter Herennius auf die breite Front eines Fachwerkhauses zuhielt. Zwei Soldaten flankierten die Tür, wollten ihn passieren lassen, doch er winkte die Mädchen an sich vorbei, dass sie vor ihm hineinschlüpften, weg von den neugierigen, ja hungrigen Blicken der Männer.
    Cinna schaute zurück, sah, wie Hraban und seine Männer ihre Pferde wegführten, eskortiert von bewaffneten Soldaten, mehr Gefangene als Gäste. Die Sonne stand schräg über der schützenden Mauer, und er blinzelte in das farbige, kreisende Licht. Morgen oder übermorgen würden sie aufbrechen nach Mogontiacum, nach Süden. Er würde einen langen Weg antreten, aber einen sicheren.
    Als er sich dem Haus zuwandte, verschwamm alles ein wenig vor seinen Augen. Sunjas heller Mantel stach aus dem Schatten des Ganges; sie hatte sich umgedreht, wartete, und er ahnte den fragenden Zug auf ihrem Gesicht, als er mit einem kleinen Satz die Stufe ins Haus übersprang.

EPILOG
    Den schmalen Raum umschlossen senkrechte Wände, die Cinna bald ein Jahr lang nicht gesehen hatte, senkrechte, verputzte Wände, die römische Pracht vortäuschten: hohe Sockel aus ägyptischem Porphyr, gesäumt von Pfeilern, Kapitelle unter der Decke – dabei war alles nur gemalt. Er stand neben der Wand zum Außengang, ließ die Hände prüfend über dunkelrot getünchten Putz gleiten, und zerrieb Staub und Farbspuren zwischen den Fingerspitzen, während er wartete. Schon im vergangenen Jahr hatte der Raum als Schreibstube gedient; dass sich das nicht geändert hatte, bezeugten Wandschränke und ein Tisch, auf dem sich Wachstafeln in allen Größen türmten.
    Der ritterliche Tribun, der Cinna in seinem Quartier beherbergte, ein wortkarger junger Mensch aus der reichen apulischen Familie der Pacuvier,

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