Der Tribun
und die Zähne in die Unterlippe grub, konnte er nicht verhindern, dass ihm das Blut in die Wangen stieg. »Und in Ermanamers’ Rat zählt das allein nicht viel.«
Cinna schwieg und wartete darauf, dass Hraban sich zu ihm umdrehen würde, was so jäh geschah, dass er erschrak.
»Ich habe Angst um Saldir, davor, dass ich sie nicht beschützen kann.« Scharf zügelte Hraban sein Pferd, so dass es auf der Stelle trat. »Sag einfach, dass du es tun wirst!«
Der Fuchs tänzelte, sein Fell schimmerte im Licht der Nachmittagssonne. Cinna sah zu den Mädchen, zu Sunja, die mit gesenktem Kopf stumm auf ihrem Pferd saß, während Saldir sich umschaute; beide hatten die Hände fest ineinander geflochten. Wenn sie von römischen Truppen besetztes Gebiet erreichten, würden sie sich vielleicht auf Nimmerwiedersehen voneinander verabschieden müssen. Er würde Sunja mitnehmen in ein Land, das sie kannte und in dem sie dennoch eine Fremde bleiben würde. Allein. Und Saldir würde ebenso wie ihre Familie, wie das ganze Dorf in ständiger Gefahr sein. Er konnte nicht allen helfen, aber was Hraban für ihn tat, indem er ihn zur Grenze geleitete, und was Inguiotar ihm bot, indem er ihn nicht verfolgte, sondern mit seiner Tochter ziehen ließ, war eine zweite Geburt.
Über Saldirs Gesicht huschte ein banges Lächeln. Cinna blickte in Hrabans angespanntes Gesicht.
»Ich stehe in deiner Schuld«, murmelte er.
»Dann tu es«, entgegnete Hraban, klopfte dem Grauen auf die Kruppe und verpasste Cinna einen Rippenstoß; dann drückte er Cheimon die Schenkel an den Leib, dass dieser lossprengte.
Offenbar früher als erwartet trafen sie in der Burg ein, welche die umliegende fruchtbare Senke auf einem lang gestreckten Hang überragte. Hastige Vorbereitungen waren noch im Gange; der Gastherr, ein brummiger Graubart mit vielköpfiger Familie, quartierte sie in verschiedenen Häusern ein, worüber seine Leute wenig Begeisterung zeigten. Er selbst, der sich der Geschwister und Cinnas annehmen musste, zog eine Grimasse, als wäre ihm im Schein des Hundssterns ein Hundswurf aus den Händen gefallen und hätte ihn um Hab und Gut gebracht. Die Herrin war hingegen gastfrei, so dass sie Gelegenheit erhielten, sich mit warmem Wasser zu waschen und die Kleider zu wechseln. Das Essen, das ihnen anschließend gereicht wurde, war reichhaltig, und man richtete ihnen den hinteren Teil des Hauses behaglich ein.
Der Ritt hatte Cinna zugesetzt; er presste den Arm gegen die Rippen, wo Liubas Schwert ihn hart getroffen hatte, nur gedämpft vom Kettenhemd. Sunja hieß ihn, sich hinzusetzen, untersuchte die Verletzung und behandelte sie mit einer Salbe, die ihr die Hausherrin gegeben hatte; dann massierte sie ihm sanft die Schultern. Erschöpft ließ er sich die Behandlung gefallen. Seine Haut brannte von den Abschürfungen, die er davongetragen hatte. Er befühlte die wunden Stellen an seinem Hals, tastete nach Sunjas Händen. Als ihre Finger von ihm glitten und sie einen Schritt zurücktrat, kroch ein kühler Luftzug über seinen Rücken, dass er fröstelte.
»Du wirst Saldir mit dir nehmen?«
Hinter ihm stehend, verdeckte sie das Licht der Feuerstelle mit ihrem Körper. Es waren die ersten Worte, die sie an ihn richtete, seitdem er ihren Bruder erschlagen hatte. Er erhob sich, wandte sich um und verzog die Lippen zu einem Lächeln, kaum mehr als eine freundliche Grimasse, als ihre Hand zu ihrem Gesicht fuhr, um eine Strähne aus der Stirn zu schieben, ihr straff geflochtenes Haar zu ordnen und dann im Nacken liegen blieb.
»Wenn Vinicius einwilligt, wird sie bei uns leben«, erwiderte er und räusperte sich. »Und du musst ihr die Mutter ersetzen.«
»Weiß sie es schon?«
»Hraban wird es ihr heute Abend erklären.«
»Es wird ihr weh tun, aber sie wird gehorchen.« Vorsichtig streckte er eine Hand nach ihr aus, umfasste ihre Schulter und zog sie an sich. Augenblicklich umhüllten ihn ihre Nähe und Wärme, ihr Kopf schmiegte sich in seine Halsbeuge, ihre Arme schoben sich um ihn, bis er ihre Finger auf seinem Rücken spürte und die kleinen halbmondförmigen Male, die ihre Nägel dort hinterlassen würden. Ihr Atem streifte seine Kehle, stoßweise, ihre Schultern zuckten kaum merklich, während etwas warm seinen Hals entlangrann. Sie hing schwer an ihm, als ströme alle Kraft aus ihrem Körper. Behutsam hob er sie hoch und trug sie zu einem der Lager, welche die Gastherrin für sie hatte richten lassen. Er wusste nicht, ob jemand hereinplatzen
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