Der Tribun
Anblick der Reitergruppe, die ihnen seltsam erscheinen musste; führten sie doch einen etwas heruntergekommenen römischen Soldaten mit sich und zwei Mädchen. Die Menschen wischten sich den Schweiß von der Stirn, beschatteten die Augen und folgten den Bewegungen der Schar.
Die Wärme trocknete die klammen Mäntel. Heute Nacht würden sie ihr Lager bei einem gastfreien Chatten beziehen, morgen einen vorgeschobenen Posten erreichen, wo sie sich trennen wollten. Cinna würde dank des Ringes und der Nachricht des Asprenas von dort aus unverzüglich nach Mogontiacum geleitet werden, und Sunja mit ihm. Als Cinna sich nach Sunja und Saldir umdrehte, erschien auf dem Gesicht des Kindes ein zaghaftes Lächeln.
»Ich denke über eine andere Lösung nach«, sagte Hraban neben ihm. »Was wäre, wenn wir dich bis Mogontiacum begleiten und dir auch Saldir anvertrauen?«
»Hast du den Verstand verloren?«
»Nein, ich denke nach. Ich frage mich, ob sie im Hause deines Vaters nicht weitaus besser aufgehoben wäre als bei Wakramers, wo jeder sie vermutet. Als ehemaliger Consul ist dein Vater ein einflussreicher Mann, und du könntest für uns sprechen.«
»Mein Vater könnte niemals euer Patron werden, und ich ohnehin nicht. Jedenfalls nicht solange er lebt. Was Sunja angeht, ist es etwas anderes, weil ich Anspruch auf sie erheben und mich an den Praetor für die Fremden wenden werde – es wird schwierig genug dank der leidigen Ehegesetze. Aber was kann ich schon für Saldir tun?«
»Mach dir nicht so viele Gedanken. Sie ist ein Mädchen, also unwichtig für den Heeresstab oder irgendwelche politischen Ränke. Sie braucht einen Platz, wo sie in Sicherheit ist.« Hraban zögerte. »Dass wir alle das römische Bürgerrecht besitzen, weißt du ja inzwischen.«
»Dank Vinicius, wie ich annehme, was aus dir einen Marcus Vinicius macht, habe ich Recht?«
Hraban nickte. »Ich wurde als Marcus Vinicius Ravanus gelistet.«
»Sobald ich wieder in meine alten Rechte eingesetzt bin, werde ich mich an euren Patron wenden. Doch was bis dahin geschieht, liegt nicht in meiner Hand. Was, wenn Saldir ebenso gegen euch benutzt würde, wie Dagumers Sunja benutzen wollte?«
»Das wird nicht geschehen«, entgegnete Hraban. »Ich weiß, dass du es nicht zulassen würdest.«
»Und wie sollte ich es verhindern, solange ich gleichsam tot bin?«
»Frag Saldir, was sie möchte. Wenn sie die Wahl hätte, bei ihrem Onkel Wakramers zu leben oder mit dir und Sunja fortzugehen – was, glaubst du, würde sie wählen?«
Cinna drehte sich im Sattel zu Saldir um. Ihr Gesicht hatte durch die Strapazen der Reise Farbe verloren, ihr fragender Blick flog von ihm zu ihrem Bruder und wieder zurück.
»Das kann sie nicht entscheiden«, entgegnete Cinna und trieb sein Pferd voran. »Sie wollte nach Hause, als du die Männer mit den Leichen deiner Brüder zurückgeschickt hast. Sie folgt deinem Befehl nur widerwillig, und das weißt du.«
Wortlos schüttelte Hraban den Kopf.
»Es ist nicht so einfach, wie du denkst«, widersprach Cinna. »Bei Wakramers ist sie zumindest in Sicherheit.«
»Es ist der Ort, wo unsere Feinde zuallererst suchen werden. Wakramers wird sein Schwesterkind wohl aufnehmen, aber sie zu beschützen würde ihn in Gefahr bringen und zum Gegner einiger seiner bisherigen Verbündeten machen, weil wir jetzt Feinde des Ermanamers und der Familie des Segimers sind.«
»Du vertraust deinem Onkel nicht?«
Beschwörend hob Hraban die Hände. »Darum geht es nicht. Die Frage ist, wie lange er imstande sein wird, sie zu beschützen.« Seine Schultern sackten herab, bis er wie niedergedrückt auf Cheimon saß und so gar nicht mehr zu diesem schönen Pferd passte, das den Kopf stolz trug und mit den Ohren spielte. »Die große Ehre, dich zu besitzen, hat das Haus meines Vaters beinahe vernichtet.«
»Ich danke dir für die Achtung, die du mir zollst«, entgegnete Cinna schroff.
»Es ist nicht deine Schuld – es ist der Fluch, den Liuba auf sich zog, als er einen Herrn suchte, der seine Ziele mit Verrat und Eidbruch verfolgt. Gestern haben wir meine Brüder am selben Tag durch ein böses Geschick verloren. Mein Vater ist ein ehrenvoller, aber ein alter Mann, und ich …« Seine Stimme erstarb.
»Was soll mit dir sein? Du bist sicherlich nicht schlechter als Liuba –«
»Ich habe meiner Familie noch keinen Ruhm erworben, bin als Krieger ein Niemand, nur der Sohn meines Vaters.« Obwohl Hraban den Blick auf den Mähnenkamm seines Pferdes heftete
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