Der Trotzkopf
Mädchen ihres Alters kommt. Das Streben derselben wird ihren Ehrgeiz wecken und ihr bester Lehrmeister sein.«
Die Wahrheit dieser Worte leuchtete Herrn Macket ein, aber die Liebe zu seinem Kinde ließ es ihn nicht laut eingestehen. Der Gedanke, dasselbe von sich zu geben, war ihm furchtbar. Nicht täglich es sehen und hören zu können, – ihm war als ob die Sonne plötzlich aufhören müsse zu scheinen, als solle ihm Licht und Leben genommen werden.
Frau Anne empfand, was in ihres Mannes Herzen vorging, liebevoll trat sie zu ihm und ergriff seine Hand.
»Denke nicht, daß ich hart bin, Richard, wenn ich für den Vorschlag unsres Freundes stimme,« sagte sie. »Ilse steht jetzt auf der Grenze zwischen Kind und Jungfrau, noch hat sie Zeit, das Versäumte nachzuholen und ihre unbändige Natur zu zügeln. Geschieht das nicht, so könnte man eines Tages unser Kind als unweiblich bezeichnen, wäre das nicht furchtbar?«
Er hörte kaum, was sie sprach. »Ihr wollt sie einsperren,« sagte er erregt, »aber das hält sie nicht aus. Laßt sie erst älter werden, es ist dann immer noch Zeit genug, sie fortzugeben.«
Dagegen protestierten Frau Anne und der Prediger auf das entschiedenste; sie bewiesen, daß jetzt die höchste Zeit sei, wenn die Pension noch etwas nützen solle.
»Ich wüßte ein Institut in W., das ich für Ilse ausgezeichnet empfehlen könnte,« erklärte der Prediger. »Die Vorsteherin desselben ist mir genau bekannt, sie ist eine vorzügliche Dame. Neben der Pension, die unter ihrer Leitung herrlich gediehen ist, hat sie eine Tagesschule in das Leben gerufen, die sich von Jahr zu Jahr vergrößert hat. Ilse würde den besten Unterricht und die liebevollste Pflege vereint finden. Und welch ein Vorzug ist nicht die wunderbare Lage dieses Ortes. Die Berge ringsum, die kostbare Luft – – –«
»Ja ja,« unterbrach ihn Herr Macket unruhig und abwehrend, »ich glaube das alles gern! Aber laßt mir Zeit, bestürmt mich nicht weiter. Ein so wichtiger Entschluß, selbst wenn er notwendig ist, bedarf der Reife.« –
Er kam schneller als er geglaubt hatte. –
Am andern Morgen, es war noch sehr früh, traf der Oberamtmann sein Töchterchen, wie es eben im Begriffe war, hinaus auf die Wiese zu reiten, um das Heu mit einzuholen. Ungeniert hatte Fräulein Ilse sich auf eines der Pferde, das vor dem Leiterwagen gespannt war, von dem Kutscher hinaufheben lassen, derselbe stand auf dem Wagen und hielt die Zügel in der Hand.
»Guten Morgen, Papachen!« rief sie ihm laut schon von weitem entgegen, »wir wollen auf die Wiese fahren, das Heu muß herein; der Hofmeister sagt, wir bekommen gegen Mittag ein Gewitter. Ich will gleich mit aufladen helfen!«
Der Vater hatte heute nicht die unbefangene Freude an dem Wesen seines Kindes, ihm fielen die Worte seiner Frau vom gestrigen Abend ein. Ilse sah wenig weiblich in diesem Augenblicke aus, eher glich sie einem wilden Buben. Wie ein solcher saß sie auf dem Pferde und hatte die Füße an beiden Seiten herunterhängen. Das kurze blaue Kleid deckte dieselben nicht, man sah den plumpen, hohen Lederstiefel und noch ein Stück des bunten Strumpfes. Es war wahrlich kein schöner Anblick.
»Steig’ herab, Ilse,« sagte Herr Macket, dicht zu ihr tretend, um ihr beim Heruntersteigen behilflich zu sein, »du wirst jetzt nicht auf die Wiese reiten, hörst du, sondern deine Aufgaben machen.«
Es war das erste Mal in ihrem Leben, daß der Vater in so bestimmter Weise zu ihr sprach. Im höchsten Grade verwundert blickte sie ihn an, aber sie machte keine Miene, seiner Aufforderung Folge zu leisten. Sie schlug die Arme ineinander und fing an, herzlich zu lachen.
»Hahahaha! Arbeiten soll ich! Du kleiner reizender Papa, wie kommst du denn auf diesen komischen Einfall? Mach’ nur nicht ein so böses Gesicht! Weißt du, wie du jetzt aussiehst? Gerade wie Mademoiselle, die letzte, Papa, von den vielen, – wenn sie böse war! ›Fräulein Ilse, gehen Sie auf Ihr Zimmer mais tout-de-suite. Aben Sie mir compris!‹ Dabei zog sie die Stirn in Falten und riß die Augen auf – so«, und sie versuchte es nachzuahmen. »Oh, es war zu himmlisch! Adieu Papachen, zum Frühstück komm’ ich zurück!«
Sie warf ihm noch eine Kußhand zu, lachte ihn schelmisch an und fort ging’s im lustigen Trabe hinaus auf die Wiese in den taufrischen Sommermorgen hinein.
Herr Macket schüttelte den Kopf, mit einem Male stiegen ernstliche Bedenken wegen Ilses Zukunft
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