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Der Trotzkopf

Der Trotzkopf

Titel: Der Trotzkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emmy von Rhoden
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kündigte Fräulein Raimar eines Mittwochs bei der Mittagstafel an. Und als sie bemerkte, wie vergnügt die meisten diese frohe Botschaft entgegennahmen, fügte sie hinzu: »Ich hoffe, daß ihr euch nicht zu lebhaft mit den jungen Leuten unterhalten werdet! Vergeßt nicht, daß dieselben nur des Tanzes, nicht der Unterhaltung wegen da sind!« 
    Annemie kamen diese Ermahnungen so komisch vor, daß sie zu kichern anfing. Ein strafender Blick traf sie dafür. 
    »Für dich sind meine Worte besonders gesprochen, Annemie,« nahm die Vorsteherin wieder das Wort, »ich fürchte, du wirst dich durch dein albernes Lachen auffallend machen, hüte dich davor. Und dich, Grete, ermahne ich ernstlich, nicht so viel zu schwatzen. Ueberlege erst, was du sagen willst, damit kein Unsinn herauskommt.« 
    So und in ähnlicher Weise warnte und ermahnte sie ihre jungen Zöglinge, die in ihrer erwartungsvollen Aufregung heute nur mit halbem Ohre hörten, was ihnen so eindringlich vorgestellt wurde. Viel wichtiger erschien ihnen die Frage: »Was werdet ihr heute abend anziehen? Womit werdet ihr euch schmücken?« 
    Sie hatten auch kaum das Speisezimmer verlassen, als sie die Treppen hinaufstürmten, um in Orlas und der Schwestern Zimmer eine große Beratung zu halten. 
    Melanie holte einen großen Pappkasten hervor und fing an, Blumen und Bänder herauszukramen. Sie hatte sich vor den Spiegel gestellt und hielt eine Rose in ihr schönes aschblondes Haar. 
    »Wie findet ihr diese Rose?« fragte sie. »Bitte, seht doch einmal! Kümmert sich denn kein Mensch um mich?« rief sie laut und ungeduldig den Durcheinanderschwatzenden zu und stampfte sogar etwas mit dem Fuße auf. 
    »Sie steht dir gut, Melanie,« antwortete Rosi, die eben erst eingetreten war und die letzten Worte hörte, an ihre eigene Toilette dachte sie nicht. »Das dunkle Rot in deinem blonden Haar sieht prächtig aus!« 
    »Du hast nicht viel Geschmack, liebste Rosi. Nimm mir nicht übel, daß ich es dir frei heraussage,« fertigte Melanie die Aermste ab. »Orla, bitte, gieb du dein Urteil ab.« 
    Die Russin galt als die eleganteste, deren Toilette stets am geschmackvollsten war. Mit Kennermiene musterte sie denn auch Melanie. 
    »Die dunkle Rose ist zu grell,« entschied sie, »für dein Haar paßt eine blaßrote besser. Uebrigens, was willst du denn anziehen? Das ist doch am Ende die Hauptsache und darnach mußt du die Blumen wählen.« 
    »Mein blaues Batistkleid, denke ich.« 
    »Dein bestes Kleid!« rief die vorlaute Grete erstaunt. »Gut, dann ziehe ich mein geblümtes an!« 
    Gerade wie die Verhandlungen am lautesten waren, öffnete sich die Thür und Fräulein Güssow trat ein. 
    »Fräulein Raimar läßt euch sagen, ihr möchtet heute abend eure Sonntagskleider tragen,« verkündete sie. 
    »O! ...« Langgedehnt und unzufrieden kam es über Melanies Lippen. »O, Fräulein Güssow, die alten, dunklen Kleider! Die hellen sind so viel besser!« 
    Aber es blieb bei den Wollkleidern. Gegen das Machtgebot der Vorsteherin galt kein Widerstreben. 
    Bevor sie in den Tanzsaal hinuntergingen, fanden sich die Mädchen noch einmal bei Orla ein. Diese hielt erst eine allgemeine Musterung über die Toiletten, besserte hier und dort und verstand es, durch eine Kleinigkeit dem einfachsten Anzuge einen netten Anstrich zu geben. 
    Melanie hatte sich nach besten Kräften elegant herausgeputzt. Ein weißes Spitzenfichu schmiegte sich in weichen Falten um ihren Hals, und eine blaßrote Rose, seitwärts an demselben befestigt, kleidete sie ganz allerliebst. Sie war tadellos und sah trotz des einfachen braunen Kleides sehr geputzt aus. 
    An Gretes ungeschickter Figur war nicht viel zu ändern. Lange Arme, große Füße, schlechte Haltung und dicke Taille, das waren Dinge, die leider nicht zu verbergen waren, auch trugen die ungraziösen Bewegungen durchaus nicht zur Verschönerung bei. 
    »Für dich ist die dunkle Tracht ganz vorteilhaft,« meinte Orla, indem sie eine dicke Korallenkette aus ihrem Schmuckkasten nahm und sie dem darüber hocherfreuten Gretchen um den Hals schlang. »So, die will ich dir leihen, damit du nicht zu einfach aussiehst.« 
    Flora unterwarf sich keiner Musterung, sie fand es unnütz, da ihr Geschmack weit eigenartiger sei als Orlas. Sie hatte mit endloser Mühe eine griechische Haartour zurechtgebracht. Im Nacken trug sie ihr Haar im Knoten, mit einigen herausfallenden Locken, vorn hatte sie dasselbe mit einem schwarzen Sammetbande, das mit

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