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Der Trotzkopf

Der Trotzkopf

Titel: Der Trotzkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emmy von Rhoden
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sie oft genug mit ihrem Hunde aufgezogen. Es kam ihr jetzt selbst recht lächerlich vor, wenn sie sich ihren Einzug in der Pension mit Bob auf dem Arme ausmalte. Wie einfältig war sie gewesen – wie unnütz hatte sie den armen Papa gequält! – Ilse hatte noch eine Ueberraschung, bei der sie fast erschrak. In einem reizenden Arbeitskorbe fand sie mehrere Aepfel von Marzipan. 
    Nellie stand neben Ilse und flüsterte ihr zu: »Diese sind Aepfel von der Baum – weißt du noch?« 
    Als die Angeredete ängstlich zur Seite blickte, fuhr sie beruhigend fort: »Du darfst nicht Angst haben, niemand hört uns.« 
    Sie hatte recht. Die Aufmerksamkeit aller war auf einen Vogelbauer gerichtet, in welchem eine lebendige Lachtaube saß. Annemie hielt denselben höchst angenehm überrascht in der Hand. 
    »Nun könnt ihr um die Wette lachen,« scherzte die Vorsteherin, »denn das Täubchen darfst du behalten und in deinem Zimmer aufhängen. Aber vergiß niemals, Annemie, daß du das Tierchen regelmäßig füttern mußt, hörst du?« 
    So erhielt eine jede ihre scherzhafte Rüge, nur Rosi nicht. Sie zerbrachen sich den Kopf, um einen Tadel an ihr zu entdecken, aber zu ihrem Bedauern fanden sie keinen. »Ganz ohne Scherz darf sie nicht sein,« erklärte Nellie, ging hin und kaufte ein Bilderbuch, auf dessen Titelblatt in goldenen Buchstaben drei Worte glänzten: ›Für artige Kinder‹. – »Dies paßt sehr für ihr,« sagte sie, und die übrigen Mädchen stimmten ein. 
    Rosi nahm das Buch, lächelte und legte es beiseite. Sie konnte nicht so recht begreifen, was es bedeuten sollte .... 
    Nachdem die Bescherung zu Ende und nachdem auch für die beiden Damen ein Tisch mit allerhand selbstgearbeiteten Sachen ausgebaut war, wurde der Thee eingenommen und kurze Zeit darauf zur Ruhe gegangen. Lilli wurde es schwer, sich von ihren schönen Sachen zu trennen, sie wollte nicht zu Bett gehen, aber der Sandmann kam und streute ihr den Schlaf in die Augen. Schlafend wurde sie entkleidet und in ihr Bett, das in Fräulein Güssows Zimmer stand, getragen. 
    Und nun wurde es still und dunkel im Hause. Der schöne Christabend war zu Ende mit seiner frohen Erwartung, seinem Lichterglanze .... 
    Ob wohl der Baum im nächsten Jahre für alle wieder angezündet wird, die heute unter ihm versammelt waren? – 
    * * * 

Nun war alles wieder im alten Geleise! 
    Der Unterricht hatte begonnen und Miß Lead war wenige Tage nach Neujahr von ihrer überseeischen Reise zurückgekehrt. Sie hatte sechs junge Engländerinnen mitgebracht, die kein Wort Deutsch verstanden und sehr viel Heimweh hatten. 
    Nellie versuchte es, sie zu trösten, aber sie verschlossen sich starr gegen jedes Trosteswort, sie fühlten sich unglücklich im fremden Lande. Sie wollten nicht Deutsch lernen, sie haßten diese Sprache und die Menschen, erklärten sie. Lange Jammerbriefe sandten sie in die Heimat, in denen sie die Angehörigen himmelhoch baten, sie wieder zurückkehren zu lassen. 
    Es war diese Art und Weise nichts Auffallendes und nichts Neues. Fräulein Raimar legte keinen Wert darauf, ähnliche Erfahrungen machte sie stets mit den Engländerinnen. Es war schon vorgekommen, daß diese oder jene sich vornahm, zu verhungern, und Speise und Trank hartnäckig verweigerte. Vor Hunger gestorben war indes noch keine, wenn der Magen zu energisch sein Recht verlangte, entsagten sie dem Hungertode. 
    »Ich mag meine Landsmänner gar nicht sehr!« bemerkte Nellie eines Tages zu Ilse. »Die Deutsche liebe ich mehr. Ich will nicht zurück in meine Heimat.« 
    »Landsmänner!« wiederholte Ilse. »Gleich sage einmal, wie es richtig heißt. Neulich habe ich es dir erst gesagt.« 
    »O ja, ich weiß, Landsfrauen heißt es,« verbesserte sich Nellie. 
    »Du bist klassisch!« lachte Ilse laut. »Lands–männ–innen heißt es. Sag einmal nach – so – und nun vergiß dieses Wort nicht wieder, du liebe, englische Deutsche! Du bist auch ganz anders wie deine Landsmänninnen, lange nicht so steif, so zurückhaltend und so hochmütig wie die! Sie sehen immer auf uns herab, als ob sie sagen wollten: ›Gott sei Dank, daß ich keine Deutsche bin!‹« 
    »O nein!« wehrte sich Nellie, in der plötzlich der Nationalstolz wach wurde, »so schlimm darfst du nicht sagen! Es hat den Schein, daß sie hochmütig sind, weil sie dir nicht verstehen, sie macht ein fremdes Gesicht, weiter nix!« 
    »Sie sind hochmütig, Nellie!« neckte Ilse. »Entschuldige deine langweiligen

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