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Der Trotzkopf

Der Trotzkopf

Titel: Der Trotzkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emmy von Rhoden
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Courschneiderei, zuweilen auch Klatscherei – u. s. w. Dazu noch die kleinen Aufmerksamkeiten, die hinter den Kulissen spielen, z. B. Fensterparaden, duftige Blumenspenden, manchmal sogar eine gemeinsame Schlittschuhpartie auf dem Eise. 
    Die letztgenannten Aufmerksamkeiten waren natürlich vollständig ausgeschlossen in der Pension. Fräulein Raimar würde dieselben nicht geduldet haben. Streng hielt sie darauf, daß außer den Tanzstunden nicht die geringste Annäherung mit den Herren stattfand. In diesem Punkte kannte sie keine Nachsicht. 
    Schon in höchstem Grade unangenehm war es ihr, daß die jungen Leute sich herausnahmen, ihre täglichen Spaziergänge mit den Zöglingen zu durchkreuzen und grüßend an ihnen vorüberzuschreiten. Es war ihr geradezu unbegreiflich, wie sie es herausbrachten, welchen Weg sie wählte. Denn wenn sie ihre junge Schar heute durch den Park – morgen in dieses Thal – übermorgen über jenen Berg führte, immer konnte sie überzeugt sein, die roten Primanermützen auftauchen zu sehen – sie konnte ihnen nicht entgehen. Die Lösung dieses Rätsels war einfach genug, der Verrat wurde durch die Tagesschülerinnen ausgeführt. Sie waren die Vermittlerinnen zwischen ihren Brüdern, Vettern oder Bekannten und den Pensionärinnen. Sie schmuggelten Grüße, Gedichte, sogar Photographien ein und Flora benutzte diesen Weg, ihr Album den Herren zuzusenden mit der Bitte, ein selbstverfaßtes Gedicht hineinzuschreiben. 
    Eines Tages, es war so ziemlich gegen den Schluß der Tanzstunden, erhielt Nellie nach dem Schulunterricht ein kleines Billet zugesteckt. Sie ging auf ihr Zimmer, wo Ilse anwesend war, und öffnete dasselbe. 
    »Wie albern!« rief sie hocherrötend aus, als sie die wenigen Zeilen gelesen hatte. »Wie kann der einfältige Mensch sich so dreist gegen mir benehmen! Ich habe ihm nie Ursach’ zu so große Dreistigkeit gegeben!« Und sie zerriß die Zeilen. 
    Ehe noch Ilse ihre Meinung aussprechen konnte, kam Melanie hereingestürzt, strahlend vor Eitelkeit und Freude. 
    »Kinder!« rief sie mit ihrer lispelnden Stimme, »ich muß euch etwas mitteilen! Aber verratet mich nicht! Schwört, daß ihr niemand etwas sagen werdet! Du auch, Grete,« wandte sie sich an die eintretende Schwester. 
    Natürlich wartete sie in ihrer Erregung den Schwur gar nicht ab, sondern geheimnisvoll die Thür verriegelnd zog sie ein kleines Briefchen aus ihrer Kleidertasche und begann vorzulesen.     
     »Mein gnädiges Fräulein! 
    Sie würden mich zu dem glücklichsten aller Sterblichen machen, wenn Sie mir Ihre Photographie verehrten! – Meine Bitte ist kühn, ich weiß es, aber Sie werden mir diese Kühnheit großmütig verzeihen, wenn ich Ihnen gestehe, daß es mein glühendster Wunsch ist, Ihre wunderbar klassischen Züge täglich, stündlich sehen und anbeten zu können. 
    Darf ich auf Ihre Gnade hoffen? 
    Georg Breitner.«     
     Nellie hatte die Papierstückchen von der Erde aufgenommen und dieselben so ziemlich wieder zusammengesetzt auf ihrer Kommode. Nun las sie die Zeilen vor. Sie waren von demselben Verfasser und enthielten die gleiche Bitte, nur waren die Worte ein wenig anders gesetzt, auch nannte er Nellies Züge ›liebreizend‹ anstatt ›klassisch‹. 
    Sie wurde doch etwas herabgestimmt bei dieser Entdeckung, die siegesstrahlende Melanie! Einen Augenblick schwieg sie und sah Nellie an. 
    »Was thun wir, Nellie?« fragte sie dann, »wir können doch Herrn Breitner die Bitte nicht abschlagen!« 
    »Du darfst dein Bild nicht geben!« platzte Grete, die nebenbei etwas Neid gegen die weit hübschere Schwester empfand, heraus. »Auf keinen Fall, oder ich schreibe es dem Papa!« 
    »Dich habe ich nicht um deine Meinung gefragt!« gab Melanie kurz zur Antwort. »Nellie, was sagst du?« 
    »Aber, Melanie!« rief Ilse ganz erregt, »wie kannst du nur einen Augenblick im Zweifel sein! Du wirst doch wahrhaftig dein Bild nicht an einen Herrn verschenken, der dir eigentlich ganz fremd und noch kein ordentlicher Herr ist! Er will dich zum Narren halten, weiter nichts!« 
    »Du schwatzest geradezu Unsinn, liebe Einfalt vom Lande!« entgegnete Melanie gereizt. »Was verstehst du denn unter ›ordentliche Herren‹?« 
    »Solche, die nicht mehr in die Schule gehen und auf Schulbänken sitzen!« erklärte Ilse. »Herr Georg Breitner wird dein Bild mit in die Klasse nehmen und die ›Herren‹ Schüler werden es bewundern. Dann bist du furchtbar blamiert!« 
    »Nellie, du bist

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