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Der Trotzkopf

Der Trotzkopf

Titel: Der Trotzkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emmy von Rhoden
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abend getragen, hatte sich aus ihrem Haar gelöst und lag halb entblättert auf dem Boden. Fräulein Güssow legte soeben einen neuen Eisumschlag auf der Kranken glühende Stirn. 
    Doktor Althoff fragte nicht, – ein Blick auf die kleine Kranke sagte ihm alles. Groß und fremd sah sie ihn an, ihre Händchen zuckten und griffen unruhig in die leere Luft. Als Ilse sich erheben wollte, klammerte sie sich fest an sie. 
    »Du sollst nit fortgehn, du bist des Kaisers Tochter!« stieß sie in abgerissenen Sätzen heraus, »du bist die Schönste! – Tanz mit mir – komm!« 
    Plötzlich sprangen ihre Phantasien davon ab, und sie sah Ilse für das Christkind an. 
    »Du liebes Christkindl hast ein goldenes Kleiderl an, – und ein Kronerl tragst auf dem Kopf – ah, wie das strahlt! Du willst mit mir spielen,« fuhr sie geheimnisvoll lächelnd fort, »wart nur, ich komm zu dir, zu den lieben Engelein! – Ich komm – nimm mich mit!« 
    Ermattet sank sie nach diesem Anfall in die Kissen zurück. 
    Ilse war wie gelähmt vor Schreck. Niemals zuvor hatte sie an dem Lager eines Schwererkrankten gestanden, es war daher natürlich, daß sie ganz fassungslos war. Sie umklammerte Fräulein Güssow und wurde totenblaß, ohne ein Wort über die bebenden Lippen zu bringen. 
    »Kehren Sie in den Saal zurück, Ilse,« riet Doktor Althoff und ergriff ihre Hand. »Kommen Sie, ich werde Sie führen.« 
    Aber sie schüttelte den Kopf. »Ich bleibe hier,« sagte sie leise aber fest, »ich verlasse Lilli nicht.« 
    Und wie auch die Strauß’schen Klänge der blauen Donau schmeichelnd und verlockend durch die Nacht in das stille Krankenzimmer drangen, Ilse dachte nicht daran, zur Lust und Freude zurückzukehren. Ihre ganze Seele war von den Leiden ihres Lieblings erfüllt. 
    Nur wenige Augenblicke lag Lilli still und mit geschlossenen Augen da, dann fing sie von neuem weit heftiger an zu phantasieren. Bald rief sie nach Ilse, um mit ihr zu tanzen, bald wollte sie mit dem Christkindl spielen, zuletzt fing sie an, mit leiser, matter Stimme zu singen: »Kommt a Vogerl geflogen –« 
    Wie klang heute des Kindes Lied so weh und traurig! Ilse mußte sich abwenden, heiße Thränen rannen über ihre Wangen, es war, als müsse ihr das Herz zerspringen. 
    »Ich befürchte das Schlimmste!« sprach Fräulein Güssow tief ergriffen. »Wenn nur der Arzt käme!« 
    Nach kurzer Zeit, die den Wartenden eine Ewigkeit dünkte, trat derselbe ein. Sein Blick fiel auf das Kind, und er erschrak. Wie hatte es sich verändert, seitdem er es verlassen, was war seit gestern aus dem blühenden, lebensfrohen Wesen geworden! Die runden Wangen waren eingefallen und die großen, schwarzen Augen starrten wie abwesend in die leere Luft. Er nahm ihre Hand und fühlte nach ihrem Puls, – sie merkte nichts davon, leise fing sie wieder an zu singen: »Und es kümmert sich ka Hunderl –« 
    »Au, au!« schrie sie plötzlich auf und griff nach ihrem Kopfe. »Das Katzerl beißt mich! Nimm es weg, Fräulein! Au weh!« 
    Der Arzt rührte ein Pulver in ein Glas Wasser und reichte es ihr. Nur mühsam war ihr dasselbe beizubringen und erst auf Ilses sanftes Zureden öffnete sie die Lippen. Nachdem sie getrunken, wurde sie ruhiger und verfiel in einen Halbschlummer. 
    »Wo wohnen die Eltern der Kleinen?« wandte der Arzt sich an Fräulein Güssow. »Ich rate, dieselben unverzüglich von der Krankheit zu benachrichtigen. Ich kann für den Ausgang nicht stehen. – Wir haben es mit einer bösartigen Gehirnentzündung zu thun.« 
    »Nur die Mutter lebt,« nahm Doktor Althoff das Wort und erbot sich, sofort ein Telegramm an dieselbe abgehen zu lassen. Nach seiner Berechnung konnte sie schon am Abend des nächsten Tages eintreffen. 
    Bevor er das Haus verließ, kehrte er noch einmal in den Saal zurück, um die Vorsteherin mit dem Ausspruch des Arztes bekannt zu machen. Nellie, die gerade mit Georg Brenner Française tanzte und nicht aus der Reihe treten konnte, warf einen ängstlich fragenden Blick auf ihn, flüchtig nur streifte sie sein Auge, und doch erriet sie, daß er nichts Gutes zu melden habe. O, wäre nur der Tanz erst zu Ende, daß sie ihn fragen könnte! Aber er wartete nicht darauf, nach wenigen Minuten verließ er schon wieder den Saal und ließ Nellie in den peinlichsten Zweifeln zurück. War es schlimmer geworden? Der Vorsteherin ruhiges Gesicht gab ihr keine Antwort auf ihre Frage. Es lag dasselbe wohlwollende Lächeln auf demselben wie zuvor. Sie unterhielt

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