Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)
Brief
Hamburg, im Januar 2011
Liebe Lisa,
seit wir uns auf der Buchmesse kennengelernt haben, denke ich oft an dich. Die Art, wie du dich in alles einmischst, imponiert mir. Ich hab schon verstanden, dass du nicht furchtlos bist, sondern eher stur – aber gerade das gefällt mir. Ich finde, wir brauchen Menschen, die hartnäckig Lügen und Gemauschel aufdecken, inneren und äußeren Widerständen trotzen, sich ein Gefühl für Richtig und Falsch bewahren. Und dabei ihren Humor nicht verlieren. Wir haben in Frankfurt viel gelacht. Gelächter ist eine Waffe gegen Fremdbestimmung, Sarkasmus eine gegen Ohnmacht. Du, Lisa, kämpfst mit beiden und machst deine Sache gut. Weiter so.
Du hast damals erwähnt, dass du überlegst, dich mit Psi-Phänomenen zu befassen, wovon ich spontan nichts wissen wollte. Bei Ariadne haben wir ja eine Art Esoterik-Sperre, weil wir diesen Spiri-Kram für ablenkend und verblödend halten. Daran hat sich grundsätzlich auch nichts geändert. Aber in letzter Zeit fällt mir auf, wie das um sich greift. Der große Vampir-Hype, der vor ein paar Jahren aus den USA zu uns herübergeschwappt ist, war bloß eine Spielart des neuen Eskapismus in der trivialen Kultur. Aus dem Fernseher quellen immer mehr Serien und pseudowissenschaftliche Dokus über Geisterjäger, Botschaften aus dem Jenseits, Telepathie, Prophezeiungen – das alles hat gewaltig Konjunktur. Deshalb denke ich, du hattest vielleicht recht: Man muss sich damit doch mal auseinandersetzen. Wenn das Irrationale immer mehr kulturelle Macht gewinnt, ist irgendwas faul. Natürlich ist Aberglaube dem kapitalistischen Profitinteresse nützlicher als Ratio. Aber deshalb eine weltweite Verschwörung zu wittern wäre zu simpel: Die Realität ist nun mal kein James-Bond-Film, wo man nur einen Strippenzieher bezwingen muss.
Also halte uns bitte auf dem Laufenden über deine Recherchen. Schreib auf, was du so ausgräbst, was dir auffällt. Und wenn du nach Hamburg kommst, besuch uns mal.
Pass gut auf dich auf und sei herzlich gegrüßt
Else Laudan
Argument Verlag mit Ariadne
Titel
Christine Lehmann
Totensteige
Ariadne Krimi 1189
Argument Verlag
Copyright
Christine Lehmann bei Ariadne:
Vergeltung am Degerloch (Ariadne Krimi 1165)
Gaisburger Schlachthof (Ariadne Krimi 1167)
Pferdekuss (Ariadne Krimi 1171)
Harte Schule (Ariadne Krimi 1157)
Höhlenangst (Ariadne Krimi 1161)
Allmachtsdackel (Ariadne Krimi 1169)
Nachtkrater (Ariadne Krimi 1173)
Mit Teufelsg’walt (Ariadne Krimi 1179)
Notorisch Nerz – Storys (Ariadne Krimi 1181)
Malefizkrott (Ariadne Krimi 1185)
Totensteige (Ariadne Krimi 1189)
Zusammen mit Manfred Büttner:
Von Arsen bis Zielfahndung – Das aktuelle Handbuch für Krimiautorinnen und Neugierige
Christine Lehmann lebt in Stuttgart und Wangen (Allgäu), ist als Nachrichten- und Aktuellredakteurin beim SWR tätig und schreibt Romane, Kurzkrimis, Kriminalhörspiele (Radio Tatort) und Glossen.
Wolfgang Thiel (Coverfigur) ist ein Stuttgarter Bildhauer und ehemaliger Kunstlehrer der Autorin.
www.atelier-thiel.de
Deutsche Originalausgabe
Alle Rechte vorbehalten
© Argument Verlag 2012
Glashüttenstraße 28, 20357 Hamburg
Telefon 040/4018000 – Fax 040/40180020
www.argument.de
Umschlag: Martin Grundmann, unter Verwendung einer Skulptur von Wolfgang Thiel
Lektorat: Iris Konopik und Else Laudan
Satz: Iris Konopik
ISBN 978-3-86754-927-1
1. Digitale Auflage 2012
Digitale Veröffentlichung: Zeilenwert GmbH
Vorwort
Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind nicht beabsichtigt und rein zufällig, auch dann, wenn solche Personen unter Namen auftreten, die Ihnen bekannt vorkommen.
Christine Lehmann
Teil 1
Das Kalteneck-Experiment
»If even a straw could be moved by will power my conception of the universe would be altered.«
»Wenn durch Geisteskraft auch nur ein Strohhalm bewegt werden könnte, müsste meine Auffassung vom Weltall geändert werden.«
Der Physiker Michael Faraday über das Tisch rücken, vermutlich 1853
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Der Planungsredakteur des Stuttgarter Anzeigers rief mich an und fragte, ob ich mit den Geisterjägern ins Schloss Ludwigsburg gehen könne. Die schwäbische Haunt Hunters Agency aus Sigmaringen hatte sich selbst den Auftrag gegeben, ein Gespenst aufzuspüren, und die Medien dazu eingeladen. Ich hatte keine Lust, einer Gruppe abgedrehter Geisterjäger Publicity zu verschaffen, aber es war sonst nichts los. Im Januar war noch nichts von dem passiert, was uns später in den
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