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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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hinab, den er verlegen in den Händen gedreht hatte. In einem plötzlichen Entschluß und als ob nun alles gesagt sei, stellte er ihn auf den Tisch und griff nach seinem polierten Helm.
    »Gehen wir?« fragte er.
    Er sah mich erwartungsvoll an, aber ich zögerte. Ich kannte Hanns Altdorfer gut genug, um ihn meinen Freund nennen zu dürfen, und ich konnte mir nichts vorstellen, das ihn so sehr drängte, daß er damit nicht bis zum Morgen warten konnte.
    – Es sei denn, Daniel läge tot zwischen den Backsteinen des Kirchenbaus .
    Es schauderte mich, und plötzlich fühlte ich mich schwach. Mühsam stieß ich mich von der Wand ab.
    »Ich werde Euch begleiten«, sagte ich. »Ich muß mir nur noch etwas Warmes anziehen.« Er nickte und schien erleichtert. Als könnte er damit verhindern, daß ich meine Aussage revidierte, stülpte er sich den Helm auf den Kopf und trat von der Nähe des Feuers zurück.
    »Ich werde hier auf Euch warten«, sagte er. Ich zuckte mit den Achseln und verließ die Stube.
    Vor meiner Schlafkammertür stand mein Verwalter. Mittlerweile hatte er sich vollständig angezogen und schien auf Anweisungen zu warten.
    »Komm mit herein«, sagte ich, und er folgte mir in die Kammer. Ich bückte mich nach einer Kleidertruhe.
    »Er will, daß ich mit ihm in die Stadt komme«, eröffnete ich ihm.
    »Ist etwas Schlimmes passiert, Herr Bernward?«
    »Ich weiß es nicht. Scheinbar hat ihn Hanns Altdorfer zu mir geschickt. Ich soll ihn bei der Baustelle des Martinsdoms treffen.«
    »Bei der Baustelle? Gott behüte, daß Eurem Herrn Sohn etwas zugestoßen ist…«
    »Es sieht nicht danach aus«, unterbrach ich ihn knapp. Ich fröstelte; ich wollte nichts darüber hören. Was man ausspricht, ruft man herbei. Plötzlich dachte ich an meinen Traum. Hatte ich nicht diesmal meinen Sohn darin gesehen? Ich erinnerte mich nicht mehr, aber ein Schauer lief mir den Rücken hinab. Unsinn, dachte ich. Träume haben keine Vorbedeutung. Sie beschreiben nur Situationen, die bereits hinter uns liegen. Ich wußte es mittlerweile gut genug.
    Der Verwalter räusperte sich und fragte: »Was werdet Ihr tun?«
    »Ich gehe mit ihm zum Dom.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Wenn ich etwas für Euch tun kann …«
    Ich schüttelte den Kopf, und er begann, die Unordnung, die ich in der Kleidertruhe hinterlassen hatte, zu bereinigen, während ich aus meinem Nachthemd stieg. Nach einigen schweigsamen Minuten, während derer er mir half, die Kleider überzustreifen, sagte er plötzlich: »Denkt Ihr daran, daß womöglich schon heute die Lieferung Seidenstoffe für die Hochzeit des jungen Herzogs ankommt? Soll ich in Eurem Namen die Fracht annehmen und die Fuhrleute auszahlen?«
    »Das wird nicht nötig sein«, sagte ich. »Ich gehe davon aus, daß ich bald wieder zurück sein werde. Ich habe genügend Zeit, mich selbst darum zu kümmern.«
    Der Verwalter nickte, und ich trat an ihm vorbei in die Halle hinaus. Er zupfte einen langen hellen Faden von meinem dunklen Mantel und zwirbelte ihn zu Boden. Ich klopfte ihm auf die Schulter und holte den wartenden Wappner aus der Stube. Zusammen verließen wir das Haus. Ich sollte recht behalten, als ich sagte, ich sei bald wieder zurück. Ich wußte noch nicht, wie sehr ich mich bei meiner anderen Aussage täuschte.
    In der nächtlichen Dunkelheit draußen wallte ein dichter Nebel, der von den vielen Armen und Verzweigungen der Isar aufstieg und die feuchten Niederungen des Flußtales einhüllte. Es roch nach Rauch und nach frischer Erde. Der Duft geriet mir beim ersten Atemzug in die Kehle und reizte mich zum Husten. Mein Begleiter zog hörbar die Nase hinauf und räusperte sich. Er trug jetzt eine Fackel in der Hand. Sie brannte knisternd und widerwillig in der feuchten Luft und sandte brennende Tropfen auf den Boden.
    Ich drehte mich zu ihm um und nickte ihm zu. Er zog noch einmal die Nase hinauf und setzte sich dann in Bewegung. Ich folgte ihm dichtauf. Der Nebel kroch mit suchenden, kalten Fingern in jede Öffnung meiner Kleidung, in den Raum zwischen dem dicken Kragen und meinem Hals, in den weiten Ausschnitt vorne an der Brust und in die Öffnungen der Ärmel an den Handgelenken. Ich schob die Hände übereinander, verbarg sie in den Ärmeln und dachte daran, daß ich die pelzgefütterte Kappe mit den Ohrenschützern vergessen hatte. Ich hatte ein merkwürdiges Gefühl der Fremdheit, als wir durch den Torbogen meines Hofzugangs hinaus in die absolute Dunkelheit der umliegenden Felder traten.

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