Der Tuerke - Das Original
muss ich aber noch sagen, dass derjenige, der für den Sieg der Ukraine getippt hat, fast gelyncht worden wäre. Auch das Wettfieber hat seine Grenzen.
Ein Stück Heimat
Türkische Generalkonsulate gibt es in mehreren deutschen Städten. Im Ausland lebende Türken haben hier die Möglichkeit, ihre staatsbürgerlichen Angelegenheiten zu regeln, Ausweise und Reisepässe ausstellen oder verlängern zu lassen, Vollmachten zu erteilen, die Ehe zu schließen oder den Wehrdienst aufzuschieben.
Doch das türkische Konsulat erfüllt außerdem noch ganz andere Aufgaben, was vielen in Deutschland lebenden Türken gar nicht bewusst ist.
Stellen wir uns mal einen 2 2-jährigen Türken vor. Unser Türke heißt Murat. Murat studiert im sechsten Semester Betriebswirtschaft. Das Grundstudium hat er noch nicht abgeschlossen. Seinen Eltern erzählt er zwar immer, dass er sein Vordiplom bald in der Tasche habe, aber da er die meiste Zeit seines Studentenlebens in der Cafeteria und nicht im Hörsaal verbringt, fehlen ihm noch etliche Scheine. Bei gutem Wetter hockt Murat mit seinen türkischen Kommilitonen gern draußen auf dem Campus oder auf einer Wiese.
Obwohl Murat in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, hat er die türkische Staatsbürgerschaft. Wie jeder Türke muss auch er seinen Wehrdienst in der Türkei absolvieren. Sein Vorteil ist aber, dass er im Ausland lebt. Im Ausland lebende Türken dürfen ihren Wehrdienst bis zum 38. Lebensjahr aufschieben und müssen auch nicht, wie esüblich ist, 15 Monate, sondern nur einen Monat ihr Vaterland zu verteidigen lernen. Natürlich kostet das eine Kleinigkeit. Für 5112 Euro kann man sich sozusagen mehr oder weniger freikaufen. Auch der Lostopf, der darüber entscheidet, in welcher Stadt der Militärdienst abgeleistet werden muss, entfällt. Die 511 2-Euro -Soldaten absolvieren ihren Dienst grundsätzlich nur in der südtürkischen Stadt Burdur. Die Deutschländer sehen hier kaum eine Waffe. Der Wehrdienst verläuft im Gegensatz zum echten 1 5-monatigen Dienst fast wie ein Urlaub. Dennoch erzählen die Deutschländer danach noch jahrelang über ihre Erlebnisse beim Militär.
Murat hat alles dabei, was er braucht. Ausweis, Reisepass, Arbeitserlaubnis, Immatrikulationsbescheinigung und und und. Da Murat 150 Kilometer bis zum nächsten Konsulat fahren muss und sich jedes Mal verfährt, ist er immer schon sehr genervt, bis er endlich einen Parkplatz in Konsulatsnähe gefunden hat. Der Anblick des Emblems mit dem Halbmond und dem Stern am Konsulatsgebäude heitert sein Gemüt zwar kurzzeitig auf, doch bald schon weichen diese patriotischen Gefühle wieder, und seine Miene verdüstert sich.
»Was ist das denn?!«, denkt Murat genervt, als er die Schlange vor dem Konsulat sieht. 30 bis 40 Menschen warten bereits vor dem Gebäude.
»Ist das hier der Eingang zum Stadion? Gibt es ein Bundesligaspiel?«, fragt er einen Landsmann, der ebenfalls in der Schlange steht.
Dieser ist mindestens genauso verärgert wie Murat:
»Keine Ahnung! Wie wird das erst drin aussehen, wenn es hier schon so voll ist?«
»Das wird ein langer und aufreibender Vormittag«, denkt sich Murat, »so viel ist sicher!«
Als er endlich das Konsulat betritt, wird er abgetastet. Auch sein Handy muss er abgeben.
Schon beim Pförtner muss sich der Deutschländer enorm anstrengen, um nicht unhöflich zu wirken. Denn türkische Beamte sind türkische Beamte und verhalten sich so wie in einer Istanbuler Behörde. Sie wollen respektiert werden. Egal, ob sie in der Türkei sind, in Deutschland oder in Ghana.
Der Pförtner:
»Warum bist du gekommen?«
Murat:
»Wehrdienst.«
Der Pförtner (regungslos):
»Dritter Stock!«
Murat (begeistert vom netten Beamten):
»Danke schön! Vielen Dank!«
Der Pförtner nickt nach dem Motto »Ja ja, sieh zu, dass du nach oben kommst, Deutschländer!« Die Beamten im Konsulat gelten nicht als Deutschländer, da sie in einer türkischen Behörde tätig sind und dadurch nichts von ihrem waschechten Türken-Status einbüßen.
Im dritten Stock angekommen erwartet Murat der nächste Schock. Der Flur ist überfüllt. So etwas wie einen Warteraum gibt es nicht. Hier und da stehen ein paar Stühle. Doch sitzen ist ohnehin nicht angesagt, man muss sich anstellen. Nur in wenigen Bereichen des Konsulats gibt es so etwas wie Wartemarken, über die man aufgerufen wird.
In einem überfüllten türkischen Konsulat werden Sie keine freundlichen Gesichter sehen. Wartezeiten von vier bis fünf Stunden
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