Der unbeugsame Papagei
eine lange Reihe roter Zisternenwagen entgegen, mit zwei aneinander gekopppelten Lokomotiven vorneweg.
‚Sie haben das Blut auf den Weg gebracht!‘, dachte Dobrynin. Denn auch das Blut seiner Genossen war ja darunter, jenes von Twerin und Woltschanow … Nur seines, Dobryninsches Blut, war nicht dabei.
Und in Gedanken wunderte sich der Volkskontrolleur, dass ihn niemand gebeten hatte, Blut zu spenden.
Dobrynin machte es sich auf seinem Sitz bequemer und wandte sich vom Fenster ab. Da kamen ihm unter Tränen neue Erinnerungen. Er, auf dem weißen Pferd Grigorij, mit der Motorradeskorte durch Moskau … Auf seinen Knien lag noch immer der zweite Band des Büchleins „Lenin für Kinder“. ‚Ob er Tiere mochte?‘, dachte der Volkskontrolleur und schlug das Buch wieder auf. Er blätterte es durch und betrachtete die Bilder, und plötzlich sah er: ‚Lenin und die Katzen‘, gemalt von dem Maler Fajnberg, Illustration zu Seite sechsundfünfzig. Mit einem Mal wurde dem Volkskontrolleur da leichter ums Herz. Er vertiefte sich in das Bild und zählte, wie viele Kätzchen dargestellt waren. Fünf, stellte sich heraus: eines auf den Knien des Führers, zwei neben ihm auf seiner Bank, eines hockte auf der Erde und rieb sich an Lenins Hose, und noch eines versteckte sich am äußersten Ende des Bildes, rechts von der Bank unter einem Fliederbusch.
‚Seite sechsundfünfzig …‘, wiederholte der Volkskontrolleur, um es sich einzuprägen.
Ihm war jetzt nicht nach Lesen zumute, ihm war nach Schlafen. Vor ihm lag noch ein langer Flug. Drum wollte er ein wenig schlafen, und wenn er wieder zu sich käme, dann wollte er diese Erzählung auf jeden Fall lesen. Unbedingt.
Das Flugzeug flog parallel zur Erde auf sicherem Kurs.
Der Pilot war sich seines Könnens bewusst und schweigend stolz auf sich. Er überlegte, ob sein Passagier wohl merkte, wie gleichmäßig die schwere Kampfmaschine über das Himmelsgewebe dahin glitt.
Sein Passagier schlummerte. Er sah Sterne, gewaltige, rubinrote Sterne, ebensolche wie auf dem Kreml, nur hoch oben im Himmel. Von dort leuchteten sie heller als die Sonne.
Die Zeit zog sich träge dahin.
Im Magen des Piloten grummelte es, er sah auf die Uhr.
Mittagszeit.
Lang war der Weg nach Norden. Weit war das Land.
Spät abends, als er das Beben der schweren Maschine spürte, wachte Dobrynin auf. Er hörte, wie der Pilot mit der Erde sprach. Der Pilot sprach laut, und zur Antwort vernahm man ein Zischen, Knistern und eine durch all diese Widerstände kaum hindurch dringende Stimme.
„Drei große Feuer!“, rief der Pilot. „Neben der Schneise … und eins direkt in der Schneise, damit ich gerade einfliegen kann!“
Aus diesem Gespräch erkannte Dobrynin, dass sie sich bereits ihrem Ziel näherten. Vor seinem Fenster war es vollkommen dunkel, doch direkt über dem Kopf des Volkskontrolleurs brannte ein einzelnes Lämpchen mit trübem Licht.
Dobrynin schlug das Buch wieder auf, das auf seinen Knien lag.
„Lenin und die Katzen“, las Dobrynin den Titel der Erzählung.
Die Buchstaben waren klein, dünn und zitterten im Halbdunkel, als wollten sie gleich herausfallen.
Er hob sich das Büchlein dicht vors Gesicht und las: „Lenin liebte Katzen sehr.“
Seine Augen begannen zu schmerzen, und bekümmert darüber, dass er nun doch nicht lesen konnte, klappte Dobrynin das Buch für bessere, hellere Zeiten wieder zu.
Bei der Landung trug es den schweren Jagdbomber im Schnee von der unsichtbaren Piste, und beinahe hätte er mit dem linken Flügel die mächtigen Stämme der Zirbelkiefern gestreift, die wie eine dichte Wand zu beiden Seiten der Landebahn-Schneise wuchsen.
Die Luft der nördlichen Nacht war kalt und wie zähflüssig. Der Schnee knirschte süß und rief Erinnerungen an die Kindheit wach.
Nachdem sie das Flugzeug auf der Piste stehen gelassen hatten, gingen der Pilot und Dobrynin langsam auf die drei nahen Lagerfeuer zu, deren Flammen erstaunlich rot waren, als brenne dort ein besonderes Material.
Als sie näher kamen, erkannte der Volkskontrolleur, dass es auch gar keine Lagerfeuer waren, sondern brennende Kerosinfässer.
Der Pilot hob die Nase in Richtung des Verbrannten und sagte: „Erdöl!“
Ein paar Menschen eilten ihnen entgegen. Im Halbdunkel der Nacht, das vom Schnee leicht erhellt wurde, schienen sie formlose, dunkle Flecken, bis sie auf Reichweite der ausgestreckten Hände herangekommen waren.
„Na, Bruder, willkommen zurück!“, dröhnte die Stimme von
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