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Der unersättliche Spinnenmann

Der unersättliche Spinnenmann

Titel: Der unersättliche Spinnenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pedro Juan Gutierrez
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drei oder vier Typen den Hals um und verschwinde. Da kriegt mich keiner mehr«, sagte der Mann.
    Er hatte ein gebrochenes Nasenbein, und die Wunde war einst mit fünf, sechs Stichen genäht worden. Die Nase platt und nach rechts verdreht. Die Vorderzähne gespalten und zerbrochen. Daher kam also dieses ramponierte Aussehen und die langen, herabhängenden Arme, entspannt, als warte er auf die nächste Runde. Ich fragte:
    »Warst du mal Boxer?«
    »Erinnerst du dich etwa an mich?«
    »Nein.«
    »Elíades Silva. Einundachtzig Kilo schwer. Erinnerst du dich denn nicht mehr?«
    »Nein.«
    »Der war ich.«
    »Du bist immer noch du.«
    »Ja. Nein.«
    »Lange her, dass du mit dem Boxen aufgehört hast?«
    »Lange her, dass ich mit dem Boxen aufgehört habe.«
    »Wie lange?«
    »Wie lange?«
    »Aham.«
    »Hm, ich vergess das immer.«
    »Vier Jahre«, sagte die Frau.
    »Vier Jahre. Die hier zählt immer ganz genau und erinnert sich immer an alles.«
    »Elí, als wir anfingen, hast du noch geboxt. Und Elíadisito ist jetzt drei.«
    Sie sammelten weiter ihre im Sand verstreuten Klamotten ein. Julia kam mit dem Rucksack und unserem Handtuch. Diesen Schatten würde uns niemand mehr wegnehmen. Viele Leute lagen in der prallen Sonne. Am Abend würde ihnen die Haut brennen, und sie würden nicht schlafen können. Der Boxer und seine Familie taten mir leid. Ihre Kleider und Schuhe waren uralt. Das konnte man alles auf den Müll werfen, und niemand würde es auflesen. Ich fragte ihn:
    »Hast du lange geboxt?«
    »Ich hab mit dreizehn angefangen, und jetzt bin ich zweiunddreißig. Rechne’s dir selbst aus.«
    Der Typ sah aus wie fünfundvierzig. Oder wie fünfzig. Er war immer noch schlank und sehnig und hatte ganz gut Muskeln, doch einen Gesichtsausdruck, der ihn älter aussehen ließ. Vielleicht war es Müdigkeit. Boxen gefällt mir. Ich versuchte mich zu erinnern. Nein. Ich erinnerte mich nicht an Elíades Silva in der Einundachtzig-Kilo-Klasse. Vielleicht hatten sie ihn als Sandsack benutzt.
    »Kommt ihr jeden Tag von Bauta hierher?«
    »Aber nein, Kumpel! Bist du verrückt? Wir sin … na, sagen wir … also, wir sin gestern gekommen. Sin um fünf Uhr morgens mit dem Bus los und hier so um … na, so um zwölf angekommen. Mussten so vier-, fünfmal umsteigen bis hier.«
    Die Frau unterbricht ihn:
    »Um zwölf? Du spinnst doch! Um drei war’s, mein Lieber! Und der hier mit der Scheißerei, weil er am Sonntag …«
    Der Boxer fällt ihr ins Wort:
    »Kumpel, am Sonntag ham sie mir ein Huhn geschenkt und gesagt, dass es schon ein Weilchen aufgetaut war. Ich hab’s mit nach Haus genommen. Du weißt, wie’s ist. Ich hatte eine Riesenlust auf Fleisch. Is ja nicht leicht, jeden Tag nur Reis und Bohnen. Und die hier, die wollte gar nichts davon, als hätte das Huhn die Hühnerpest …«
    »Ich hab’s ihm gleich gesagt: ›Das ist vergammelt, Elíades.‹ Aber der ist ja ein solcher Dickschädel!«
    »Und die Kinder wollten auch nichts, da hab ich’s ganz allein gegessen. Ich hatte einfach Lust auf Fleisch, was soll ich sagen?«
    »Und dann ist dir schlecht geworden?«
    »Ich war fast dran gestorben. Hab einen Dünnschiss gekriegt! Einen Dünnschiss, sag ich dir!«
    Die Frau unterbricht wieder:
    »Elíades hat sie nicht mehr alle. Das macht doch kein normaler Mensch.«
    »Ach Quatsch, ich hatte einfach Lust auf Fleisch. Is doch ganz normal!«
    »Ich hab ihm gesagt: ›Das Huhn ist vergammelt und krank.‹ Er hat aber gemeint: ›Ach was, das is nich krank.‹ Und hat’s komplett verputzt. Fast war er abgenippelt. War echt schlimm, kannste mir glauben. Richtig heftig. Umgekippt ist er. Als ich mit ihm in der Poliklinik ankam, wusste er nicht mehr, was er sagte. Der Doktor fragte ihn was, und er konnte nicht antworten.«
    »Weiß ich gar nich mehr. Hab immer noch Kopfschmerzen. Warum ich dann hier rumlaufe? Wegen der Jungs und wegen ihr, weil sie ihre Eltern besuchen wollte. Wenn’s nach mir ginge, wär ich im Bett geblieben, ich fühl mich total … fertig. Kann kaum gradaus gehen.«
    Ich redete los, ohne nachzudenken, und sagte etwas Saudummes:
    »Gut, dass du es wenigstens gekocht hast.«
    »Vergammelt, total vergammelt! Und man hat’s mir nich mal gesagt. Da blieb bei uns vierundzwanzig Stunden lang der Strom weg, und ich hab Freunde in einem Laden. Alles ging den Bach runter: Hähnchen, Fisch, Milch, Joghurt. Und da ham sie mir das Huhn geschenkt und gesagt: ›Das is nich mehr gekühlt gewesene Ich hab nur gelacht, hahaha, und

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