Der Unheimliche Weg
bin ein alter Mann, Madame, und es gibt keine große Auswahl mehr unter den Dingen, die ich sammeln könnte. So habe ich mich darauf verlegt, Gehirne zu sammeln.«
»Gehirne?«, fuhr Sylvia erschrocken dazwischen.
Er nickte freundlich. »Ja, das ist das interessanteste Sammelobjekt von allen. Nach und nach, Madame, speichere ich hier die besten Gehirne der ganzen Welt. Und es sind die jungen Kräfte, die ich hierherbringe, junge, viel versprechende Menschen. Eines Tages werden die müde gewordenen Nationen der Welt sich sagen, dass ihre Wissenschaftler alt und stumpf geworden sind, und sie werden erkennen, dass alle jungen und leistungsfähigen Kräfte, Ärzte, Chemiker, Physiker, Chirurgen hier bei mir sind und dass ich sie alle in der Hand habe. Und wenn sie einen erstklassigen Gesichtschirurgen oder Genbiologen brauchen, so werden sie zu mir kommen und ihn mir abkaufen müssen.«
»Sie wollen damit sagen – «, Sylvia brach ab, beugte sich vor und sah ihn starr an. »Sie wollen mit anderen Worten sagen, dass es sich um eine riesenhafte Spekulation handelt?«
Abermals nickte Aristides freundlich.
»Natürlich, andernfalls hätte es doch keinen Sinn, nicht wahr?«
Sylvia atmete tief auf. »Nein«, sagte sie dann, »und ich habe das von Anfang an gefühlt.«
»Ich bin eben in erster Linie Geschäftsmann«, erklärte Monsieur Aristides beinahe entschuldigend, »es ist mein Beruf. Ich bin Finanzmann großen Stils.«
»Und Sie haben keine politischen Ziele im Auge? Sie wollen nicht die Welt beherrschen?«
Er streckte abwehrend beide Hände aus.
»Ich hege nicht den Wunsch, den Herrgott zu spielen«, sagte er, »ich bin ein frommer Mensch. Ich leide nicht an dem bekannten Diktatorenwahnsinn. Vorläufig jedenfalls bin ich noch frei davon.« Er überlegte einen Augenblick und fuhr dann fort:
»Es kann ja so weit kommen. Gewiss, es kann auch noch kommen… Bis jetzt spüre ich, Gott sei Dank, noch keine Anzeichen.«
»Aber wie machen Sie es, dass diese ›Gehirne‹ alle zu Ihnen kommen?«
»Ich kaufe sie, Madame; auf dem freien Markt, wie eine andere Ware auch. Zuweilen kaufe ich sie mit Geld. Aber viel öfter noch kaufe ich sie mit Vorspiegelungen. Junge Leute sind Träumer. Sie haben Ideale. Sie haben ihre Überzeugungen. Manchmal kaufe ich sie auch dadurch, dass ich ihnen Sicherheit gewähre – denjenigen nämlich, die drüben in der anderen Welt das Gesetz übertreten haben.«
»Das erklärt alles«, sagte Sylvia, »ich meine, es erklärt alles, was ich auf der Reise hierher so unerklärlich fand.«
»Ah, Madame, haben Sie da wirklich etwas Merkwürdiges entdeckt?«
»Ja. Die Verschiedenheit der Anschauungen. Der Amerikaner Peters schien dem Kommunismus verfallen. Aber Ericsson war ein begeisterter Anhänger der Übermenschentheorie. Und Helga Needheim war eine anmaßende und unbelehrbare Faschistin. Dr. Barron dagegen – «
»Ja, der kam wegen des Geldes«, warf Aristides ein, »Barron ist ein gebildeter Zyniker. Er hat keine Illusionen, aber er ist in seiner Arbeit mit Leidenschaft verhaftet. Er sehnte sich nach unbeschränkten Mitteln, um seine Forschungsarbeit weiterführen zu können.« Und unvermittelt fügte er hinzu:
»Sie sind klug, Madame. Ich sah das schon in Fes.« Er kicherte. »Sie haben es nicht gewusst, Madame, aber ich kam einzig und allein nach Fes, um Sie zu beobachten – oder vielmehr, ich hatte Sie nach Fes bringen lassen, um Sie beobachten zu können.«
»Ich verstehe«, sagte Sylvia trocken.
»Ich freute mich bei dem Gedanken, dass Sie hierher kommen würden. Denn hier gibt es kaum Leute, mit denen man eine gute Unterhaltung führen kann.« Er machte eine geringschätzige Handbewegung: »Diese Gelehrten, diese Biologen, diese Labormenschen, die sind nicht interessant. Sie leisten wohl schöpferische Arbeit, aber man kann kein vernünftiges Gespräch mit ihnen führen.« Und gedankenvoll fügte er hinzu: »Ihre Ehefrauen sind in der Regel auch ziemlich langweilig. Überhaupt sehen wir diese Frauen hier nicht gerne. Ich gestatte ihre Anwesenheit auch nur aus einem einzigen Grund.«
»Und der wäre?«
Aristides antwortete trocken: »Es kommt hier und da vor, dass ein Gelehrter sich seiner Arbeit nicht uneingeschränkt widmen kann, weil er zu viel an seine Frau denkt. Das schien bei Ihrem Gatten Thomas Betterton der Fall zu sein. Betterton galt in der Gelehrtenwelt als genialer Wissenschaftler, aber seitdem er hier ist, hat er nur mittelmäßige, zweitklassige Arbeit
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