Der Unheimliche Weg
daneben gelangt man in den Aufenthaltsraum.«
Dieser Gemeinschaftsraum, in dem man sich später zusammenfand, erinnerte an den Wartesaal eines kleinen Flughafens. Auf der einen Seite waren eine Bar und eine Theke, wo man einen Imbiss nehmen konnte. Auf der anderen Seite hatte man Zeitschriftenregale angebracht.
Der Tag verging ganz angenehm. Es wurden zwei Filme vorgeführt auf einer kleinen transportablen Projektionsfläche. Die Beleuchtung sollte den Eindruck von Tageslicht erwecken, damit der Mangel an Fenstern nicht auffiel. Gegen Abend wurde eine andere Garnitur mild beleuchtender Birnen eingeschaltet.
»Schlau eingerichtet«, sagte Peters anerkennend, »denn das Gefühl, hier eingesperrt zu sein, wird durch diesen Zauber ziemlich verdrängt.«
Wir können nichts unternehmen, dachte Sylvia. Irgendwo, ganz in unserer Nähe, befinden sich Menschen, die von draußen kommen. Und wir können uns nicht mit ihnen in Verbindung setzen, sie nicht um Hilfe bitten. Wie gewöhnlich ist alles aufs Genaueste ausgedacht und vorbereitet worden.
Peters saß neben Miss Jennson. Sylvia schlug den Murchisons eine Bridgepartie vor. Tom Betterton schloss sich aus mit der Begründung, er könne sich nicht konzentrieren. So machte Dr. Barron den vierten Mann.
Sylvia wunderte sich selbst, dass ihr das Spiel Vergnügen machte. Es war halb zwölf, als der dritte Robber zu Ende ging. Sie und Dr. Barron hatten gewonnen.
»Es war eine Abwechslung«, sagte sie und sah auf ihre Uhr. »Aber wie spät es schon ist! Ich nehme an, dass die Besucher nun weg sind – oder bleiben sie gar über Nacht?«
»Das weiß ich wirklich nicht«, antwortete Simon Murchison, »aber es mag sein, dass eine oder zwei von den medizinischen Kapazitäten noch bleiben. Jedenfalls werden morgen Mittag alle weg sein.«
»Und dann werden wir wieder heimgetrieben?«
»Ja. Es wird aber auch Zeit. Das ganze Arbeitsprogramm gerät einem durcheinander mit solchen Geschichten.«
»Immerhin ist es großartig organisiert«, fügte Bianca wohlgefällig hinzu. Sie und Sylvia standen auf und verabschiedeten sich mit einem Gutenachtwunsch von den beiden Herren. Sylvia ließ Bianca den Vortritt in den schwach erhellten Schlafsaal. In diesem Augenblick fühlte sie eine leichte Berührung am Arm. Sie wandte sich rasch um. Neben ihr stand einer der großen dunkelhäutigen Diener. Mit unterdrückter Stimme sagte er auf Französisch:
»Madame, bitte kommen Sie.«
»Wohin denn?«
»Bitte folgen Sie mir.« Einen Augenblick stand sie unschlüssig da. Bianca war im Schlafsaal verschwunden. Im Aufenthaltsraum waren nur noch wenig Personen, die sich miteinander unterhielten. Wieder fühlte sie die leichte Berührung.
»Bitte, Madame, kommen Sie mit mir.«
Er ging einige Schritte voran und sah zurück, um sich zu vergewissern, dass sie ihm folgte. Sylvia bemerkte, dass der Mann viel besser gekleidet war als die anderen eingeborenen Diener. Sein Gewand wies reiche Goldstickereien auf.
Er führte sie durch eine kleine Tür in der Ecke des großen Raumes, dann weiter durch einen der geheimnisvollen weißen Gänge. Sie hatte nicht den Eindruck, dass es der gleiche Weg sei, auf dem sie hereingeführt worden waren, konnte es aber nicht mit Sicherheit feststellen, da ein Gang wie der andere aussah. Einmal wollte sie eine Frage an den Führer richten, aber er schüttelte ungeduldig den Kopf und strebte weiter. Endlich blieb er am Ende eines Ganges stehen und drückte auf einen Knopf in der Mauer. Eine Seitenwand glitt zurück und gab einen kleinen Aufzug frei. Er forderte sie mit einer höflichen Handbewegung auf einzusteigen, folgte ihr, und der Lift schoss nach oben.
»Wohin bringen Sie mich?«, fragte Sylvia ungnädig.
Der Diener sah sie vorwurfsvoll mit seinen schwarzen Augen an: »Zum Herrn, Madame. Es ist eine große Auszeichnung für Sie.«
»Zum Direktor, meinen Sie?«
»Nein, zum Herrn.«
Der Lift hielt. Der Diener schob die Türen zur Seite und half ihr heraus. Dann gingen sie einen anderen Gang hinunter und kamen abermals an eine Tür. Ihr Begleiter klopfte an, und die Tür wurde von innen aufgemacht. Auch hier fungierten dunkelhäutige, in goldgestickte weiße Gewänder gehüllte Gestalten als Dienstpersonal. Der Mann führte Sylvia durch das tapezierte Vorzimmer und schlug die Vorhänge auf der entgegengesetzten Seite auseinander. Sylvia ging über eine Schwelle und befand sich zu ihrer Verwunderung in einem in orientalischem Geschmack ausgestatteten Raum. Da standen
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