Der unsichtbare Killer
Mittag wurde der Jaguar ans Institut überstellt, dem nächsten Labor der Norths’, das irgendwelche forensischen Analysen durchführen konnte. Dem Blut, das auf der Decke und dem Fahrersitz klebte, wurden genetische Proben entnommen. Gegen ein Uhr wurde bestätigt, dass Angela in dem Jaguar gesessen hatte.
Der Sicherheitsdienst widmete sich auf Brinkelles Druck der Frage, wie es möglich war, dass jemand mit einem kraftverstärkenden Anzug an den peripheren Sicherheitseinrichtungen des Herrenhauses hatte vorbeikommen können – erst hinein und dann wieder heraus. Gironella Beachs Schutzprotokolle waren darauf ausgerichtet, jegliche mögliche Bedrohung daran zu hindern, die Grenze des Anwesens zu übertreten. Die Sensoren einschließlich des flächendeckenden Scannersystems, das sich über den Sand hinaus bis zum Meeresboden erstreckte, hatten nichts hereinkommen oder hinausgehen gesehen. Ungewöhnlich war lediglich, dass der Jaguar so schnell davongefahren und nicht vom KI-gesteuerten Sicherheitsdienst überprüft worden war, weil am Steuer …
»Unmöglich«, sagte Barclay erstaunt zu der Gruppe, die aus Brinkelle und drei anderen 2Norths bestand. »Ich habe im sechsten Stock geschlafen. Ich hatte verdammtes Glück, dass ich dem nicht auch zum Opfer gefallen bin.« Dann brach er zusammen und fing an zu weinen.
»Wie ist sie an deine biometrischen Daten gekommen?«, fragte Benjamin. Als ältester 2North war er an diesem verrückten Tag der Besonnenste im Herrenhaus. »Die Angaben kann man nur durch einen längeren körperlichen Kontakt erhalten.«
Also kam es heraus; in Form von Schluchzern und Gestammel und Selbstvorwürfen. Die Affäre, die erst vor ein paar Wochen begonnen hatte, als Angela als Bartrams neue Freundin in Sachen Sport ins Herrenhaus gekommen war.
»Sie hat dich benutzt«, schnappte Brinkelle. »Du hast Vater hintergangen, und sie hat deine Schwäche ausgenutzt.«
»Als wäre ich der Einzige, der so was jemals getan hat«, brüllte er zurück.
»Du hast eine Psychopathin in unser Haus gebracht!«, schrie Brinkelle unerbittlich, ohne von ihrer Wut und ihrer Verachtung zu lassen.
»Ich habe sie nicht hierhergebracht. Und sie ist keine Psychopathin. Das ist unmöglich. Ich kenne sie. Ich weiß, wie sie ist«, beharrte Barclay. »Sie kann so etwas nicht getan haben. Oder? Ich wusste nicht, dass sie meine biometrischen Daten gelesen hat. Wieso sollte sie so etwas auch tun?«
»Wenn sie das hier nicht selbst getan hat, was mir im Augenblick schwerfällt zu glauben«, sagte Benjamin, »war sie ganz sicher eine Komplizin.«
»Oh, lieber Gott.« Barclay ließ den Kopf in die Hände sinken und wimmerte. Dieser Moment, darin waren seine Brüder sich später einig, war der Beginn seines totalen Zusammenbruchs. Es war auch das letzte Mal, dass er von einem von ihnen gesehen wurde. Er rannte aus dem Zimmer und lief zurück in seine Gästesuite im sechsten Stock, wo er sich zwei Tage lang einschloss und sich weigerte, die Tür zu öffnen oder mit jemandem zu sprechen. Das Nächste, was sie mitbekamen, war, dass er mitten in der Nacht einen Jaguar genommen und in die Stadt gefahren war. Drei Monate später tauchte er in den Independencys wieder auf, nannte sich Zebediah und sagte sich von seiner gesamten Familie los.
Angelas Flieger landete um fünf Uhr auf dem Flughafen von Highcastle. Die letzten drei Stunden hatte sie schwitzend und zitternd in eine Decke gehüllt auf ihrem Platz gesessen. Das Fieber wurde von Bruchstücken der verborgenen Waffen verursacht, die ihr Blut infizierten, als sie sich auflösten. Sie fühlte sich beschissen, ganz, wie sie vorgewarnt worden war, dass es sein würde. Aber es gelang ihr trotzdem, das Flugzeug ohne fremde Hilfe zu verlassen.
Sie konnte kaum glauben, dass sie nicht von einem ganzen Regiment bewaffneter, gepanzerter und hartgesottener Sicherheitsleute empfangen wurde, die darauf warteten, dass sie von Bord ging. Aber niemand erwartete sie.
Eine Glückssträhne war das Letzte, das sie in Frage stellen wollte; also nahm sie an der Vorderseite des Terminals ein Taxi und fuhr die Fernstraße A entlang – eine gerade, saubere Strecke. Sie hielt das Auto nur ein einziges Mal bei der Kreuzung mit der Fernstraße B an.
Sie starrte die Fahrbahn des Rollfelds entlang, die sich wie ein Band nach Südosten erstreckte. Die Independencys würden bedeuten, den Rest ihres Lebens auf St Libra verbringen zu müssen – und das würde angesichts ihrer teuren, vorgeburtlich
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