Der unsichtbare Kreis
war ihm peinlich, bei einer solchen Regung beobachtet zu werden, doch tief in seinem Innern empfand er die Schlichtheit der Figur als schön.
»Gefällt sie dir?« fragte Savatsky.
»Es fehlt… die intellektuelle Durchdringung. Sie ist ein Werk Primitiver.« Grom betrachtete die Miniatur aufmerksam. »Sie könnte vom fünften Planeten stammen, eventuell aus der frühen Waye-Dynastie.«
»Sie ist schön. Genügt das nicht?«
»Es ist ohne Sinn, ein Lebewesen als Funktion einer… eines sogenannten ästhetischen Gefühls abzubilden. Das wäre eine naive Auslegung des Seins. Gewiß, für Zivilisationen, die am Anfang stehen, möchte es angehen. Wir aber sind berufen, die M ENSCHENIDEE zu gestalten. Nicht die Gefälligkeit der Form, sondern eine Idee muß Grundlage unseres schöpferischen Wirkens sein. Die Idee aber schließt jeden Zufall aus. Das Leben ist Zufallsprodukt des Seins, nicht aber des Wollens von Individuen, wenngleich jedes Individuum ein konkreter Faktor ist, errechenbar auch für seine künstlerische Darstellung. Den Zufall überlassen wir der Steinzeit. Das ist der künstlerische Akzent unseres Zeitalters: Die Lossagung vom Zufall!«
»Soll heißen die Befreiung des Individuums von seinem eigenen Willen, Manipulierbarkeit?« Savatskys Stimme war kühl.
Grom zuckte mit den Schultern. »Wortspielerei.« Er reichte Savatsky die Figur. »Woher hast du sie?«
Der Alte wog sie wie ein Kleinod in der Hand und sagte langsam: »Ich will dahin, wo man so was macht.«
»Du bist verrückt.«
»Kaum.«
»Warum«, sagte Grom, »suchst du dir nicht auf der Erde einen Platz, wo du ungestört bist? Das tun viele.«
»Weißt du einen?« Ein spöttisches Lächeln glitt über Savatskys Gesicht. »Ihr verfolgt mich mit eurem Affentheater um einen Hund.« Sein Finger stieß nach Grom, als wollte er ihn aufspießen. »Ihr seid mir dankbar. Ich habe euch die Langeweile vertrieben, einen Augenblick lang!« Mühsam beherrschte Erregung ließ sein dunkles Gesicht glühen. »Das eigene Leben ist euch keine Sensation mehr, da versucht ihr, sie aus anderen zu pressen wie Öl aus der Nuß. Ihr widert mich an. Wohin ich mich auf der Erde verkröche, ich würde immer eure Ekelhaftigkeit vor Augen haben, selbst hierher…«
Savatsky schien etwas Kurioses eingefallen zu sein. Er lächelte überraschend. Seine Augen glühten wie im Triumph. Er breitete die Arme aus, klatschte schnell in die Hände und führte nach diesem Rhythmus einige gewandte, tänzerische Schritte aus. Dazu sang er, ohne Worte zu artikulieren, eine unbekannte Melodie. Die Töne kamen kurz, doch klar von seinen Lippen. Es war ein fremdartiger, fast rituell anmutender Tanz.
Aufatmend verschnaufte Savatsky, entrückt von der eigenartig fröhlichen Ekstase. Wie ein Märchenerzähler hob er den Zeigefinger. »Ich werde da sein, wo ihr nicht mehr sein könnt, wo ihr niemals sein werdet.« Er hielt Grom die tönerne Figur entgegen. »Ich schenke sie dir.«
Das Angebot kam so überraschend, daß Grom verwirrt lächelte. Insgeheim hatte er sich gewünscht, das kleine, zarte Ding zu besitzen.
Savatsky beobachtete ihn aufmerksam. »Du bist feige«, sagte er.
»Wie kommst du darauf?«
»Jedes Leben kann ein Abenteuer sein, man muß es nur finden. Abenteuer ist Intuition, ist das Neue, dessen Ausgang man nicht berechnen kann. Alles andere, deine künstlerischen Programme, dein ›Rosaroter Göttlicher‹, ist Verfall, Dekadenz, Tod.« In Savatskys kühlen, kindlichen Augen verbarg sich tiefe Trauer. »Was ist denn euer Leben? Die energiesparendste Art zu existieren: Bequemlichkeit. Ihr seid sinnlos geworden. Selbst die Fähigkeit, spontane Freude zu empfinden, habt ihr verloren, verspielt. Ich gebe euch keine Chance.«
Etwas Unbekanntes beeindruckte Grom. Er wußte noch nicht, was es war. Doch er ahnte, daß er es nicht durch vordergründige Ablehnung negieren konnte. Savatsky hatte recht, irgendwie hatte er recht. Die Gedanken entglitten ihm, waren nicht mehr Teil seiner selbst. Sie drangen, von außen kommend, auf ihn ein, sprangen ihn an wie kalte, fremde Körper. Aber das Erschrecken saß in ihm.
Hirngespinste.
Mochte Savatsky fliehen, wohin er wollte, und sein Abenteuer suchen. Was ging es ihn an? Man hatte ihm fünfzigtausend geboten!
Seine Entwürfe waren eindrucksvoll. Der Mut, die Abstraktion der Idee noch weiterzuführen, hatte ihn endlich in die Lage versetzt, die letzte, subjektive Äußerung des Werkes zugunsten der I DEE AN SICH zu vernachlässigen.
Er zeigte
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