Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der unsichtbare Turm

Der unsichtbare Turm

Titel: Der unsichtbare Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nils Johnson-Shelton
Vom Netzwerk:
Temperatur war nahe dem Gefrierpunkt. Während sich der erste Raum wie ein südamerikanischer Dschungel angefühlt hatte, fühlte man sich in diesem wie auf einer Hochebene des Himalaja. Doch auch hier gediehen Pflanzen. Ein paar kleine, verzweifelte klammerten sich an Steine, knotige Immergrüne wuchsen an den Wänden und auf dem Boden. Artie konnte seinen Atem sehen. Am seltsamsten war, dass in diesem Raum ein starker Wind wehte, obwohl es keine Ventilatoren gab.
    Sie gingen durch weitere Räume. Durch einen floss ein Bach; ein anderer war voll mit Computern und Videozubehör; der nächste war ein voll funktionstüchtiges Chemielabor; und mindestens drei waren Tiergehege, die Exoten aller Art beherbergten. Ein weiterer Raum wurde von verschiedenfarbigen Feuern verschlungen, wovon jedoch keines Hitze abgab, und ein anderer bestand gänzlich aus Gletschereis, war aber überhaupt nicht kalt. Fünf Räume waren voll mit Büchern, Papierrollen und Wandteppichen, in jedem davon gab es eine schöne Sitzecke. Noch ein weiterer Raum war vollgestopft mit Nahkampfwaffen aus aller Welt und sämtlichen Epochen. Ein anderer enthielt zwei Gefängniszellen und ein paar an der Wand angebrachte Ketten mit Handschellen. Dieser Raum roch modrig und fühlte sich tot an. Es gab auch vertraute Räume: eine Küche, ein ganz modernes Wohnzimmer, ein Spielzimmer und einen Raum mit einem Fitnessgerät und Hanteln.
    Nachdem sie den ersten Dschungelraum passiert hatten, gab Merlin Erklärungen ab wie ein Fremdenführer. »Weißt du, Artie, seit sehr, sehr langer Zeit ist kein Mensch, kein Elf, kein Troll oder sonstiges empfindungsfähiges Wesen – außer mir selbst und Herrn Däumling – durch diese Räume gegangen. Im Grunde bist du der Erste, der sie zu sehen bekommt. Ja, ich habe hier unten unzählige Tage damit verbracht, die Zeit totzuschlagen. Ich kann dir sagen, ich war nicht faul! Zusätzlich zu all der alten Zauberkunst, die ich beherrsche, habe ich hier einiges über die modernen Wissenschaften gelernt – ehrlich gesagt ist eines der Geheimnisse der Zauberei, dass ein großer Teil davon wissenschaftliche Trickserei ist. Es gibt richtige Zaubersprüche, die das Gefüge von Raum, Zeit und Materie verändern können. Doch ein großer Teil ist einfach nur angewandte Biologie, Chemie und Physik.
    Außerdem bin ich auch ein ganz guter Computer-Programmierer und leidlicher Hacker geworden. Natürlich habe ich dir so die Nachricht im Anderswelt -Spiel überbracht. Gesegnet sei das Internet: was für ein Wunderwerk! Wie auch immer. Hör zu, Artie, die kalte, nackte Wahrheit ist: Du bist König Artus, ob es dir gefällt oder nicht, und ich bin Merlin. Und es ist kein Zufall, dass wir wieder zusammengeführt wurden. Es ist eine Tatsache, dass du hier bist, um mir zu helfen. Und ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um dir zu helfen.«
    Artie wanderte hinter dem alten Mann her. Er war nicht mehr nervös. Jetzt war er nur noch verblüfft. »Äh, okay.«
    »Du hast doch von dem Schwert im Stein gehört, oder?«
    »Ich glaube schon. Das ist doch das Schwert, das nur König Artus aus dem Stein ziehen kann. Excalibur, stimmt’s?«
    Merlin blickte über die Schulter und rief: »Falsch! Excalibur ist nicht das im Stein – nein, das ist bei der Herrin vom See. Das Schwert im Stein ist Excaliburs Cousin, Cleomedes. Es ist so etwas wie Excaliburs Wächter. Wenn du Cleomedes im Kampf führen kannst, hast du bewiesen, dass du Excaliburs wert bist, und die Herrin vom See wird es dir geben.«
    Artie blieb in einem Raum voller sich drehender Zahnräder, Kreisel und seltsamer Spulen stehen, zwischen denen winzige Blitze hin- und herschossen. Merlin war eilfertig schon ein paar Schritte weitergegangen, bevor er bemerkte, dass sein Gast wie erstarrt stehen geblieben war. Er drehte sich um und reckte fragend den Kopf.
    Artie fragte: »Moment mal – haben Sie Kampf gesagt?«
    »Natürlich, mein Junge! Du bist König Artus! Einer der größten Krieger, den die Welt je gesehen hat!«
    Artie wusste, dass das überhaupt nicht stimmte. Er fragte noch mal: »Also, mit Kampf meinen Sie einen richtig echten Kampf?«
    Merlin schüttelte lässig den Kopf, was wohl beruhigend wirken sollte, und erwiderte: »Nein, einen falschen Kampf.«
    Es entstand eine kurze Pause und Artie atmete auf.
    Doch dann kicherte Merlin und sagte: »Natürlich einen echten Kampf, Artie! Aber keine Sorge, für dich wird er nicht schwieriger sein, als Anderswelt zu spielen. Ich

Weitere Kostenlose Bücher