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Der unsichtbare Turm

Der unsichtbare Turm

Titel: Der unsichtbare Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nils Johnson-Shelton
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durch den Bogen aus Mondlicht zu gehen.
    Sie gingen hindurch und befanden sich plötzlich an einem ganz anderen Ort.
    Sie waren immer noch draußen und es war immer noch Nacht, doch es gab keinen Mond und es war stockfinster. Däumling holte eine Mini-Taschenlampe aus seiner Tasche, knipste sie an und lief im Laufschritt los. Artie folgte ihm.
    Däumling begann aufgeregt zu flüstern: »Hör zu, es wird alles sehr schnell gehen. Die Türen zwischen den Welten wurden lange Zeit nicht geöffnet. Wir sollten uns also auf ein wenig Gesellschaft gefasst machen. Ich hoffe, wir werden niemandem begegnen, aber man weiß nie. Du holst dir, was du dir holen musst, und dann gehen wir wieder.«
    Artie hatte schreckliche Angst. Er kam sich dumm vor, weil er diesen sonderbaren Leuten hierher gefolgt war, wo auch immer er jetzt sein mochte. Doch nun konnte er nichts anderes mehr tun, als mitzuspielen. »Und was genau soll ich holen?«, fragte er.
    »Na, das Schwert aus dem Stein natürlich!«
    Ach ja.
    Über harten Untergrund folgten sie dem Strahl aus Däumlings Taschenlampe. Artie konnte die Umgebung nicht erkennen, doch sie schienen einem Wanderweg zu folgen. Sie liefen schnell – bis Däumling plötzlich anhielt und in die Dunkelheit deutete. Artie blieb regungslos stehen.
    »Psst!«, zischte Däumling. Er steckte sich die Taschenlampe in den Mund und zog leise das Schwert ein paar Zentimeter aus seinem Schaft.
    Artie hörte nichts.
    Däumling zischte: »Da!« Er schwenkte sein Licht zur Mitte eines Graskreises, aus dem ein halbrunder Fels emporragte. Er war etwa einen Meter zwanzig hoch und hatte einen Durchmesser von wohl neunzig Zentimetern. Oben aus dem Stein ragte ein Schwertgriff heraus. Däumling wies Artie an: »Da ist es, Bursche. Geh und hol es dir!«
    Arties Herz raste, und er spürte, wie das Blut durch seinen Körper jagte.
    Rasch ging er zu dem Stein und durchbrach den Lichtstrahl, den Däumling auf ihre Beute gerichtet hielt.
    Der Fels reichte ihm nur bis zur Brust und Artie brauchte nicht lange, um hinaufzuklettern. Als er oben angekommen war, stellte er sich vor das verwitterte Schwert und gab ihm einen kleinen Tritt. Es rührte sich nicht. Er beugte sich darüber und schlug leicht mit der Hand dagegen – es bewegte sich immer noch nicht. Er richtete sich auf, blickte ins Licht der Taschenlampe und sagte: »Es scheint ziemlich fest drinzustecken!«
    »Ruhig, Bursche! Pack es fest am Griff und versuch, es herauszuziehen!«
    Artie hörte nichts außer seinem Herzschlag und seinem Atem. »Okay«, erwiderte er leicht genervt. Er beugte sich hinunter und umfasste den Schwertgriff fest mit beiden Händen. Er fühlte kein Kribbeln, das auf irgendeine Art von Vorsehung hindeutete, und sah auch keinen Zauberglanz. Das war blödsinnig. Das Schwert steckte fest – es hätte genauso gut Teil des Felsens sein können.
    Doch dann konzentrierte er all seine Kräfte, und auf einmal, beinahe mühelos, bewegte sich das Schwert! Ganz leicht glitt es heraus.
    Nun hatte Artie also ein Schwert. Er fühlte sich nicht sehr anders. Und ganz sicher fühlte er sich nicht königlich oder so was. Artie hielt das Schwert vor sich, mit der Spitze nach unten, und betrachtete es wie ein schlechtes Zeugnis oder ein Glas saure Milch.
    Er wollte gerade fragen, ob sie nun wieder gehen würden, da hörte er ein Geräusch. Er bekam auf einmal ganz weiche Knie und die Nackenhaare stellten sich ihm auf.
    Däumlings Lampe bewegte sich hektisch, fiel dann zu Boden, rollte ein Stück und blieb liegen. Was auch immer dort draußen war, es zerbrach Äste und bewegte sich sehr schnell in ihre Richtung. Er hörte, wie Däumling sein Schwert aus der Scheide zog und rechts neben ihm ächzte. Dann das Geräusch von Däumlings Schwert, das durch die Luft wirbelte, sehr schnell gefolgt von zwei feuchten Plops und einem schauderhaft dumpfen Knack . Die Geräusche hatten sich am Rand der Lichtung von rechts nach links bewegt. Däumling brüllte: »Ha!« Und dann rief er: »Hinter dir, Bursche!«
    Und in diesem Augenblick hörte Artie, wie etwas in die Luft stieg.
    Es versteht sich von selbst, dass Artie noch nie zuvor ein Schwert in der Hand gehabt hatte, geschweige denn in einem waschechten Kampf. Doch er hatte unzählige Stunden damit verbracht, virtuelle Schwerter, Dolche, Äxte, Speere, Spieße, Armbrüste, Keulen, Hämmer und Bögen zu benutzen. Und durch die viele Gartenarbeit bei den Kingfishers war er ziemlich geschickt mit Spitzhacken, Lochspaten und

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