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Der unsichtbare Zweite

Der unsichtbare Zweite

Titel: Der unsichtbare Zweite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Fruttero
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wahrnehmen, Slucca.«
    »Aber um in so etwas hineinzukommen, muss man doch Mitglied sein, eine Mitgliedskarte haben.«
    Sie steckte die Hand in den rechten langen Stiefelschaft, zog eine Plastikkarte heraus. »Da hast du die Mitgliedskarte, sie gehört einem Freund von mir. Aber du wirst sehen, niemand wird dich danach fragen.«
    »Globalized frequent fornicator«, stand in Leuchtschrift auf der Karte.
    Das gefiel mir nicht, das war nicht mein Stil, das war nicht meine Welt. Und, mit äußerster Deutlichkeit gesagt, am allerwenigsten gefiel mir die Vorstellung des Partnertauschs. Gegen den Tausch im Allgemeinen habe ich ja nichts; Mehrwegflaschen, Tausch der Ämter, Ernennungen, Vorstands- und Vizevorstandssessel, das ist alles in Ordnung. »Der Tausch, der Tauschhandel«, sagt Migliarini in den Zeiten vor den Wahlen, »ist die ursprüngliche Basis der Kultur, ohne den Tausch eines Sackes Nüsse gegen einen Sack Pinienkerne würden wir alle noch in den Wäldern hocken, jeder in seinem kleinen autarken Stamm. Wenn wir von Globalisierung reden, dürfen wir nie vergessen, von wo alles ausgegangen ist: Nüsse gegen Pinienkerne, Slucca, damit hat alles angefangen.«
    Aber der Frauentausch? Auch der wird an der ursprünglichen Basis der Kultur stattgefunden haben, aber mir wollte die Globalisierung der schönen Albanerin einfach nicht schmecken, ich fühlte mich entschieden in Gegentendenz, auf Stammesposition in den Wäldern verschanzt.
    Sie drehte am Türknauf, wir traten ein, machten ein paar Schritte in einem rosig angehauchten Dämmerlicht, die Farbe der äußersten Rechten, wenn sie ganz leicht durch eine maßvolle, verantwortliche Linke gemildert ist. Man konnte wenig sehen, man hörte kleine Schreie, Seufzer und Stöhner, die von Sofas, breiten Sesseln, Kissenbergen auf dem Boden herkamen. War so eine Orgie? Ich hatte mir das, wie soll ich sagen, weniger zahnarztmäßig vorgestellt. Weißliche Umrisse bewegten sich in diesem Dämmerlicht mit der Langsamkeit, der qualvollen Verzögerung eines Gesetzes über die Milchproduktion in Europa.
    Dann spürte ich etwas an meinen Beinen entlang streichen, jemand, der mich zum Mitmachen bewegen wollte. Als ob ich nicht im Laufe meines Lebens schon ganz andere Versuchungen, ganz andere drängende Aufforderungen zurückgewiesen hätte (»Schließ dich uns an, Slucca, wir lassen dich auch 3 km Autobahn einweihen«, »Komm in unsere Gruppe, Slucca, wir garantieren dir die Einweihung von 5 Fußgängerunterführungen in Mailand«), als ob ich, im Schatten Migliarinis, nicht gelernt hätte, mich zu entziehen, in Deckung zu bringen, zu distanzieren.
    Doch diese unbestimmte orgastische Kreatur, unklar ob Mann oder Frau, ließ nicht von mir ab. Ich versuchte es mit einem weichen Fußtritt, aber sie war nicht abzuschütteln. Schließlich trat ich unmissverständlich kräftig nach ihr und bekam zur Antwort ein unmissverständliches Jaulen.
    »Aber was machst du denn, Slucca, siehst du nicht, dass das ein Hund ist?« zischelte die Albanerin. »Es ist das Windspiel der Firstdoofy.«
    Also war hier außer der Firstdomina auch die Firstdoofy zugange! Ich hätte es mir denken können, diese Weltdamen lassen keine Gelegenheit aus, die sind immer da, wo die Musik spielt.
    »Und die hat ihn auch hierher mitgenommen?«
    »Aber gerade an solchen Orten ist doch ...«, flüsterte sie. »Weißt du denn nicht, wo man so ein Windspiel einsetzen kann, Slucca?«
    »Na, bei Rennen, nicht?« flüsterte ich meinerseits. »Das ist ein Rennhund, und ich sehe nicht, wie ...«
    »Wo lebst du eigentlich, Slucca? Ein Windspiel wird traditionell ... Entschuldige, ich kann dir doch jetzt keine Zeichnung davon machen, gebrauch ein wenig deine Phantasie ...«
    Ich habe nicht diese Art Phantasie, aber in meiner Phantasie malte ich mir das Schlimmste aus, eine Polizeirazzia, die Schlagzeilen: Falscher T ürke in fragwürdiger Stellung zwischen den Pfoten eines Windspiels überrascht: Es war Onorevole Slucca; Animalistische Konversion von Onorevole Slucca. Von der Kammer ins Hundekörbchen;
    Onorevole Slucca im Visier des Verbands der Hundeliebhaber. Keine parlamentarische Immunit ät für Missbrauch am Freund des Menschen.
    Und an diesem bereits so emotional schwer zu bewältigenden Punkt zog sich dann noch Lauretta die Hyäne das violette Top aus, und darunter war nichts. Das heißt, es sprangen zwei, wie soll ich sie nennen, Wortmeldungen oder, wenn man will, solide gleichwertige Mehrheitserhebungen hervor, die auch

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