Der Untergang der islamischen Welt
Geschichtsphilosophen Ibn Khaldun aus dem 14 . Jahrhundert übernommen hatte, der von Kindheit, Jugend und Alter einer Kultur gesprochen hatte.
Den Prozess vom Aufstieg über die Blüte zum Niedergang hatten alle Hochkulturen durchlaufen müssen, von den Pharaonen über die hellenistischen Griechen und die Römer bis hin zum Osmanischen Reich. Der späte Zustand der Zivilisation, so Spengler, zeichne sich durch Geschichtslosigkeit und Erstarrung aller Lebensbereiche aus. Zivilisationskriege und Vernichtungskämpfe werden begleitet von anarchischer Sinnlichkeit und Unterhaltungsindustrien. Das Verschwinden der kulturinteressierten Bevölkerung, der Tod der Kunst und die Fixierung auf
panem
et
circenses,
Brot und Spiele – es sind alles Erscheinungen, die man beim genaueren Blick in eine islamische Gesellschaft, vorausgesetzt, man sieht über die fromme Fassade hinweg, deutlich erkennen kann.
Nicht nur wegen der Erstarrung des religiösen Denkens sehe ich heute den Untergang der islamischen Welt als unausweichlich an, sondern auch angesichts der Tatsache, dass die meisten islamischen Länder mittlerweile einer Konsummentalität verfallen sind, aus der es für sie keinen geistigen Ausweg zu geben scheint. Die Religion ist nicht in der Lage, ein Gegengewicht zum herrschenden Materialismus zu bilden und die Gesellschaft in ein Gleichgewicht zu bringen, denn die Religion steht im scharfen Konflikt mit dem Materialismus und verflucht dessen Geist. Dies ergibt eine explosive Kombination, die weitaus gefährlicher ist als eine selbst radikale Religiosität allein.
Während sich im Westen ein Gegenpol zum Materialismus und Konsumverhalten im kulturellen Repertoire der Aufklärung und des Humanismus findet, mangelt es dem gelebten Islam an einem eigenen gesunden Verteidigungsmechanismus gegen den Konsum, ohne ihn kategorisch auszuschließen und zu verdammen. Man könnte sagen, Konsum ohne Kant führt zu Verwirrung. Indem die Mehrheit der Menschen in den islamischen Staaten die Instrumente und Produkte der Moderne verschlingt, sich dem dahinter stehenden Gedankengut aber nach wie vor verschließt, existiert sie in einem Zustand der Schizophrenie, der über kurz oder lang in Fanatismus oder kulturelle Verwahrlosung mündet – oder gar in beides zugleich.
Dieser Zustand ist längst eine Realität in der islamischen Welt und wird von vielen vereinfacht als ein Konflikt zwischen Tradition und Moderne gedeutet. Doch er verweist meines Erachtens auf den Zerfall einer Religion, die keine konstruktiven Antworten mehr bieten kann auf die Fragen des modernen Lebens und auf den Zerfall einer Kultur, die die eigene Besonderheit über den Wandel stellt, obwohl dieser Besonderheit keine Substanz mehr entspricht.
Was der Westen als Re-Islamisierung der islamischen Welt wahrnimmt, ist in Wirklichkeit nur ein Vorhang, der das Verschwinden der Religion verdecken soll. Die manchmal aggressive Zurschaustellung der islamischen Symbole ist nichts anderes als ein Zeichen des Rückzugs der Religion.
»Wer zu viel von Rasse spricht, hat keine mehr«, schreibt Spengler. Nun kann man dem entgegnen, der Islam sei keine Rasse. Falsch. Da die meisten modernen islamischen Nationalstaaten es nicht schafften, ihren Bürgern eine stabile, sinnstiftende Identität anzubieten, wird Spenglers »Rasse« durch die Religion als Hauptquelle der Identität ersetzt. Da die islamische Religion aber aus sich heraus keine kreative Kraft mehr schöpfen kann, bleibt ihr nur die Kultur des Widerstandes. Dieser Widerstand richtet sich jedoch nicht gegen die wahren Gründe des Rückstandes und mündet in keine Revolution, sondern sucht sich gleichsam Sündenböcke im Ausland, die für die eigene Misere verantwortlich zu machen sind. Dieser Kampf gegen Windmühlen raubt der Religion, der Kultur, den Menschen die verbliebene Energie, die eine Gesellschaft für die Veränderung braucht.
Im Westen herrscht die Vorstellung, der Islam sei übermächtig und befinde sich auf dem Vormarsch. Die demographischen Entwicklungen in der islamischen Welt und in Europa sowie die blutigen Anschläge und schrillen Töne des fundamentalistischen Islam bestätigen viele Menschen im Westen in ihren Annahmen. Tatsächlich ist es jedoch so, dass sich die islamische Welt in die Defensive gedrängt fühlt und gegen die in ihrer Wahrnehmung aggressive Macht- und Wirtschaftspolitik des Westens heftig protestiert.
Das Engagement der westlichen Mächte in Afghanistan und im Irak sowie die vielen
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