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Der Untergang der Shaido

Der Untergang der Shaido

Titel: Der Untergang der Shaido Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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Horizont hing. An einem Flaggenstab hing das Kaiserliche Banner mit seinem blauen Rand schlaff herunter, weswegen man den goldenen Falken mit den ausgebreiteten Schwingen und den Blitzen in seinen Krallen nicht sehen konnte. Manche Kommandanten befestigten es an einer waagerechten Stange, damit es immer gut zu sehen war, aber er hielt das für reine Prahlerei. Die anderen beiden Banner an ihren kürzeren Stangen würden das Regiment verkünden, zu dem diese Männer gehörten.
    Karede stieg vor diesem Zelt aus dem Sattel und nahm den Helm ab. Hauptmann Musenge folgte seinem Beispiel und enthüllte eine grimmige Miene auf seinem wettergegerbten Gesicht. Auch die anderen Männer stiegen ab, um ihren Tieren eine Verschnaufpause zu gönnen, und blieben dann neben den Pferden stehen. Die Ogier-Gärtner stützten sich auf die langschäftigen Äxte mit den schwarzen Quasten. Jeder wusste, dass sie nicht lange bleiben würden.
    »Sorgt dafür, dass die Männer keinen Ärger machen«, sagte er zu Musenge. »Und wenn das bedeutet, Beleidigungen zu ertragen, dann ist das eben so.«
    »Es würde weniger Beleidigungen geben, wenn wir ein paar von ihnen getötet hätten«, murmelte Musenge. Er war noch länger als Karede bei der Totenwache, auch wenn sein schwarzes Haar keine einzige graue Strähne zeigte, und er würde Beleidigungen der Kaiserin, mochte sie ewig leben, genauso erfreut aufnehmen wie Beleidigungen der Wächter.
    Hartha kratzte mit einem Finger von der Größe einer fett en Wurst eine Seite seines langen, grauen Schnurrbarts. Der Erste Gärtner, Befehlshaber aller Ogier in der Leibwache der Hochlady Tuon, war fast so groß wie ein Mann im Sattel und sehr breit. Seine rot und grün lackierte Rüstung enthielt genug Stahl, um Rüstungen für drei oder vier Menschen zu schmieden. Sein Gesicht war so mürrisch wie das Musenges, aber seine dröhnende Stimme war ganz ruhig. Ogier waren immer ruhig, ausgenommen in der Schlacht. Dann waren sie so kalt wie der tiefe Winter in Jeranem. »Wir können so viele von ihnen töten wie nötig, Musenge, nachdem wir die Hochlady gerettet haben.«
    Musenge war an seine Pflicht erinnert worden und errötet e, weil er zugelassen hatte, sie zu vergessen. »Danach«, stimmte er zu.
    Karede hatte sich im Verlauf der Jahre zu intensiv geschult und war von seinen Lehrern einer zu gründlichen Ausbildung unterworfen worden, um zu seufzen, aber wäre er etwas anderes als ein Angehöriger der Totenwache gewesen, hätte er es vielleicht jetzt getan. Nicht, weil Musenge jemanden töten wollte und eigentlich so gut wie jeder dafür geeignet gewesen wäre. Sondern weil die Beleidigungen, denen er in den vergangenen Wochen den Rücken gekehrt hatte, genauso an ihm nagten wie an Musenge und Hartha. Aber die Wächter taten, was nötig war, um ihre Aufgabe zu erfüllen, und wenn das bedeutete, an einem Mann vorbeizugehen, der beim Anblick einer Rüstung ausspuckte, die in Rot und einem so dunklen Grün gehalten war, dass manche es als Schwarz bezeichneten, oder es wagte, in seiner Hörweite vom Senken des Blicks zu murmeln, dann musste er eben weitergehen. Nur eines zählte - Hochlady Tuon aufzuspüren und zu retten. Daneben war alles andere bedeutungslos.
    Den Helm unter den Arm geklemmt, duckte er sich in das Zelt hinein und fand anscheinend die meisten der Lageroffiziere um eine große Karte versammelt vor, die auf einem Klapptisch ausgebreitet lag. Die eine Hälfte trug mit horizontalen roten und blauen Streifen bemalte Segmentharnische, die andere rote und gelbe. Sie richteten sich auf und starrten ihn beim Hereinkommen an, Männer aus Khoweal oder Dalenshar mit einer Haut schwärzer als Holzkohle, honigbraune Männer aus NʹKon, blonde Männer aus Mechoacan, helläugige Männer aus Alquam, Männer aus jedem Teil des Reiches. Ihre Blicke zeigten nicht das oft von Bewunderung getrübte Misstrauen, an das er immer gewöhnt gewesen war, sondern beinahe schon eine Herausforderung. Anscheinend glaubte jeder die dreckige Geschichte, dass sich die Wache mit einem Mädchen eingelassen hatte, das vorgab, die Hochlady Tuon zu sein, und Kaufleuten Gold und Silber abpresste. Vermutlich glaubten sie dann auch die andere, hinter vorgehaltener Hand verbreitete Geschichte über das Mädchen, die nicht bloß widerlich, sondern schrecklich war. Nein. Die Vorstellung, dass die Hochlady vor dem Immer Siegreichen Heer um ihr Leben fürchten musste, ging über alles Schreckliche hinaus. Das war eine Welt, die aus den

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