Der Untergang der Shaido
sauberen weißen Schürze umher, aus der man drei Novizinnengewänder hätte machen können, und schwenkte ihren langen Holzlöffel wie ein Zepter, während sie Köche und Jungköche und Küchenhilfen dirigierte, die für sie so schnell wie für eine Königin eilten. Vielleicht sogar schneller. Eine Königin würde einem kaum einen Hieb mit ihrem Zepter versetzen, nur weil man sich nicht schnell genug bewegte.
Viele Mahlzeiten schienen auf Tabletts zu landen, manchm al aus Silber, manchmal aus Holz, die Frauen durch die Tür zum Hauptspeisesaal der Schwestern trugen. Keine Küchenfrauen mit der weißen Flamme von Tar Valon auf den Busen, sondern würdevolle Frauen in gut geschnittenen Wollgewändern mit dezenten Stickereien, die persönlichen Dienerinnen der Schwestern, die den langen Aufstieg zu den Quartieren der Ajahs machen würden.
Jede Aes Sedai konnte in ihren Gemächern speisen, so sie es wünschte, auch wenn das bedeutete, die Macht zu lenken, um das Essen aufzuwärmen, aber die meisten genossen die Gesellschaft beim Essen. Zumindest hatten sie das in der Vergangenheit. Der ständige Strom von Frauen mit abgedeckten Tabletts war eine Bestätigung, dass die Weiße Burg von einem Spinnennetz aus Rissen durchzogen wurde. Egwene hätte Zufriedenheit verspüren müssen. Elaida stand auf einem Podest, das kurz davorstand, unter ihr zusammenzubrechen. Aber die Burg war ihr Zuhause. Alles, was sie fühlte, war Trauer. Und Wut auf Elaida. Diese Frau verdiente es allein schon für alles, was sie der Burg angetan hatte, seit sie Stab und Stola errungen hatte, aus ihrem Amt gezerrt zu werden!
Laras warf ihr einen langen Blick zu, zog ihr Kinn ein, bis sie nur noch vier davon hatte, dann schwenkte sie wieder den Löffel und schaute einem Jungkoch über die Schulter. Die Frau hatte einst Siuan und Leane bei der Flucht geholfen, also war ihre Loyalität zu Elaida wenig ausgeprägt. Würde sie jetzt jemand anderem helfen? Sie gab sich jedenfalls alle Mühe, nicht noch einmal in Elaidas Richtung zu sehen. Eine Jungköchin, die sicher nicht wusste, wer sie war, eine lächelnde Frau, die an ihrem zweiten Kinn arbeitete, überreichte ihr ein Tablett mit einer großen Tasse dampfendem Tee und einem dicken, weiß glasierten Teller mit Brot, Oliven und bröckeligem weißen Käse, das sie zurück in den Speisesaal brachte.
Wieder kehrte Schweigen ein, und wieder richtete sich jedes Auge auf sie. Natürlich. Sie wussten, dass sie zur Oberin der Novizinnen zitiert worden war. Sie wollten sehen, ob sie im Stehen aß. Sie wollte sich nur zu gern ganz vorsichtig auf der harten Bank niederlassen, aber sie zwang sich dazu, sich ganz normal hinzusetzen. Was die Flammen natürlich wieder hochschießen ließ. Nicht so stark wie zuvor, aber immerhin stark genug, dass sie herumrutschte, bevor sie sich wieder unter Kontrolle brachte. Seltsamerweise verspürte sie kein echtes Verlangen, das Gesicht zu verziehen oder sich zu winden. Sich hinzustellen, ja, das schon, aber nicht das andere. Der Schmerz war ein Teil von ihr. Sie akzeptierte ihn ohne Gegenwehr. Sie versuchte, ihn willkommen zu heißen, aber das schien außerhalb ihrer Fähigkeiten zu liegen.
Sie riss ein Stück Brot ab - anscheinend gab es auch hier Getreidekäfer im Mehl -, und langsam fingen die Unterhaltungen wieder an, aber leise, weil man von Novizinnen erwartete, nicht so viel Lärm zu machen. Auch an ihrem Tisch ging die Unterhaltung weiter, auch wenn keiner Anstrengungen machte, sie mit einzubeziehen. Auch das war gut so. Sie war nicht hier, um unter den Novizinnen Freundschaften zu schließen. Und sie sollten sie auch nicht als eine der ihren betrachten. Nein, sie hatte ein ganz anderes Ziel.
Nachdem sie das Tablett zurückgebracht hatte und zusammen mit den Novizinnen den Speisesaal verließ, warteten bereits zwei andere Rote auf sie. Eine war Katerine Alruddin, fuchsartig in rot geschlitztem Grau; rabenschwarzes Haar wogte in einer Masse bis zu ihrer Taille, und ihre Stola ruhte in ihrer Ellenbeuge.
»Trinkt das«, sagte Katerine herrisch und hielt ihr einen Zinnbecher hin. »Alles.« Die andere Rote, dunkelhäutig und mit kantigem Gesicht, richtete ungeduldig die Stola und verzog den Mund. Anscheinend gefiel es ihr nicht, als Dienerin herhalten zu müssen. Vielleicht war es auch die Abscheu vor dem, was in dem Becher war.
Egwene unterdrücke ein Seufzen und trank. Der schwache Spaltwurzeltee sah aus und schmeckte wie hellbraun gefärbtes Wasser, mit einer Spur
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