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Der Untergang der Shaido

Der Untergang der Shaido

Titel: Der Untergang der Shaido Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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die sie erkannte, gingen schnell. Die wenigen, die sich bewusst wurden, wer sie war, schenkten ihr lange, musternde Blicke, aber die meisten erschienen in Gedanken versunken. Pevara Tazanovni, eine plumpe, hübsche Sitzende der Roten, lief fast jeden Tag in sie hinein - sie würde nicht zur Seite springen, nicht einmal für Sitzende -, aber Pevara eilte weiter, als würde sie es nicht bemerken. Ein anderes Mal tat Doesine Alwain, jungenhaft schlank, aber elegant gekleidet, das Gleiche, während sie in eine Unterhaltung mit einer anderen Gelben vertieft war. Keine von ihnen schenkte ihr einen zweiten Blick. Sie wünschte, sie hätte gewusst, wer die andere Gelbe war.
    Sie kannte die Namen der zehn »Spitzel«, die Sheriam und die anderen in dem Versuch, Elaidas Position zu untergraben, in die Burg geschickt hatten, und sie hätte sehr gern mit ihnen Kontakt aufgenommen, aber sie kannte ihre Gesichter nicht, und nach ihnen zu fragen hätte nur die Aufmerksamkeit auf sie gelenkt. Sie hoffte, eine von ihnen würde sie zur Seite nehmen oder ihr eine Nachricht zukommen lassen, aber das tat keine. Sie würde ihre Schlacht allein schlagen müssen, es sei denn, sie hörte etwas, das diesen Namen Gesichtern zuordnete.
    Natürlich vernachlässigte sie Leane nicht. In ihrer zweiten Nacht in der Burg ging sie trotz ihrer tiefen Erschöpfung nach dem Essen hinunter zu den offenen Zellen. Dieses halbe Dutzend Räume im ersten Kellergeschoss diente dazu, Frauen festzuhalten, die die Macht lenken konnten, sie aber nicht einzukerkern. Jeder enthielt einen großen Käfig aus Eisenstangen, die von der Decke zum Steinboden ragten, um den herum vier Schritte Platz waren und Eisenkandelaber für Licht sorgten. Vor Leanes Zelle saßen zwei Braune auf Bänken an der Wand, begleitet von einem Behüter, einem breitschultrigen Mann mit attraktivem Gesicht und weißen Schläfen. Er schaute bei Egwenes Eintreten auf, dann konzentrierte er sich wieder darauf, seinen Dolch mit einem Schleifstein zu schärfen.
    Eine der Braunen war Felaana Bevaine, eine schlanke Frau mit langem blonden Haar, das aussah, als würde sie es mehrmals am Tag bürsten. Sie schrieb etwas in ein mit Leder eingebundenes Notizbuch, das auf einem Schoßpult lag, und schaute kurz auf, um mit heiserer Stimme zu sagen: »Oh. Ihr seid das, oder? Nun, Silviana hat gesagt, Ihr dürft sie besuchen, Kind, aber gebt ihr nichts, ohne es vorher Dalevien oder mir zu zeigen, und macht keinen Ärger.« Sie senkte den Kopf sofort wieder über das Notizbuch. Dalevien, eine stämmige Frau mit grau durchsetztem, kurzen schwarzen Haar, schaute nicht davon auf, die Texte zweier Bücher zu vergleichen, die beide aufgeschlagen auf ihren Knien lagen. Das Licht Saidars umgab sie, und sie hielt eine Abschirmung um Leane aufrecht, aber es gab für sie keinen Grund, sie im Auge zu behalten, nachdem sie gewebt worden war.
    Egwene verlor keine Zeit, zu dem Käfig zu eilen, die Hände durch die Gitterstäbe zu schieben und Leanes zu ergreifen. »Silviana hat mir gesagt, dass sie Euch endlich Eure Identität glauben«, sagte sie lachend, »aber ich habe nicht erwartet, Euch in einem solchen Luxus vorzufinden.«
    Es war nur dann luxuriös, wenn man es mit den kleinen, finsteren Zellen verglich, in denen Schwestern festgehalten wurden, auf die ein Prozess wartete, wo es statt einer Matratze Stroh auf dem Boden und eine Decke nur dann gab, wenn man viel Glück hatte, aber Leanes Unterbringung erschien halbwegs komfortabel. Sie hatte ein schmales Bett, das weicher als die in den Novizinnenquartieren war, einen Stuhl mit Sprossenlehne und einem blauen, quastengeschmückten Kissen und einen Tisch, auf dem drei Bücher und ein Tablett mit den Resten ihres Abendessens lagen. Es gab sogar einen Waschständer, allerdings waren sowohl die weiße Wasserkanne wie die Waschschüssel angestoßen, und der Spiegel war blasig. Ein Paravent, durchsichtig genug, dass sie dahinter als Schatten erscheinen würde, verbarg den Nachttopf.
    Auch Leane lachte. »Oh, ich bin sehr beliebt«, sagte sie lebhaft. Sogar ihre Pose erschien schmachtend, trotz des schlichten schwarzen Wollkleids bot sie das Bild einer typischen verführerischen Domani, aber die energische Stimme war ein Überbleibsel aus der Zeit, bevor sie sich entschieden hatte, sich auf die Weise neu zu erfinden, die sie wollte. »Ich hatte den ganzen Tag Besuch, von jeder Ajah außer der Roten. Selbst die Grünen wollten mich überzeugen, ihnen doch zu verraten, wie man

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