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Der Untergang der Shaido

Der Untergang der Shaido

Titel: Der Untergang der Shaido Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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mehr als über sich selbst. Ihr dürft sie in Eurer Freizeit besuchen. Falls Ihr Freizeit haben solltet. Ich werde die Anweisung geben. Sie ist in den offenen Zellen. Und jetzt solltet Ihr besser laufen, wenn Ihr vor Eurer ersten Klasse noch etwas essen wollt.«
    »Danke«, sagte Egwene und wandte sich der Tür zu.
    Silviana seufzte tief. »Keinen Knicks, Kind?« Sie tauchte die Feder in das in der silbernen Fassung steckende Tintenfässchen und notierte etwas ins Bestrafungsbuch, in einer sauberen, präzisen Handschrift. »Ich sehe Euch heute Mittag. So, wie es aussieht, werdet Ihr Eure beiden ersten Mahlzeiten in der Burg stehend essen.«
    Egwene hätte es dabei bewenden lassen, aber während sich die Sitzenden in der Nacht im Saal in Telʹaranʹrhiod versammelt hatten, hatte sie sich für einen schwierigen Kurs entschieden, den sie einhalten wollte. Sie wollte kämpfen, aber sie musste dabei den Anschein des Gehorsams bieten. Jedenfalls bis zu einem gewissen Maß. Innerhalb der Grenzen, die sie sich selbst setzte. Jeden Befehl zu verweigern würde bloß bedeuten, dass sie halsstarrig erschien - und vielleicht würde sie in einer Zelle landen, wo sie nichts ausrichten konnte -, aber manche Befehle durfte sie nicht befolgen, wenn sie auch nur einen Funken Würde behalten wollte. Und das musste sie tun. Mehr als nur einen Funken. Sie durften nicht verleugnen, wer sie war, wie sehr sie es auch versuchten; das durfte sie nicht zulassen. »Die Amyrlin kniet vor niemandem«, sagte sie ganz ruhig und wusste genau, welche Reaktion erfolgen würde.
    Silvianas Züge verhärteten sich, und sie griff wieder nach der Feder. »Ich sehe Euch auch zur Abendbrotzeit. Ich schlage vor, Ihr geht jetzt ohne weiteres Wort, es sei denn, Ihr wollt den ganzen Tag über meinen Knien verbringen.«
    Egwene ging wortlos. Und ohne einen Knicks zu machen. Ein schwieriger Kurs, wie auf einem Drahtseil über einem tiefen Abgrund. Aber sie musste darauf gehen.
    Zu ihrer Überraschung marschierte Alviarin in dem Korridor vor dem Arbeitszimmer auf und ab, die weißfransige Stola eng um den Leib geschlungen. Sie starrte auf etwas in der Ferne, das nur sie allein sehen konnte. Egwene wusste, dass die Frau nicht länger Elaidas Behüterin der Chroniken war, wenn auch nicht, warum sie so schnell aus dem Amt entfernt worden war. Das Spionieren in Telʹaranʹrhiod erlaubte nur kurze Blicke und Eindrücke; es war in so vielerlei Hinsicht eine unsichere Widerspiegelung der Welt. Alviarin musste ihr Gebrüll gehört haben, aber seltsamerweise verspürte Egwene keine Scham. Sie kämpfte eine seltsame Schlacht, und in der Schlacht trug man Wunden davon. Die normalerweise eiskalte Weiße erschien heute alles andere als kühl. Tatsächlich erschien sie sogar ziemlich aufgeregt, ihre Lippen standen geöffnet, und in ihrem Blick loderte es. Egwene machte keinen Knicks vor ihr, aber Alviarin warf ihr nur einen finsteren Blick zu, bevor sie in Silvianas Arbeitszimmer verschwand. Ein Drahtseilakt.
    Ein Stück weiter den Korridor hinunter standen zwei Rote auf ihrem Beobachtungsposten, eine mit rundem Gesicht, die andere schlank, beide mit kühlen Blicken und die Stolen so auf den Armen drapiert, dass die langen roten Fransen deutlich zu sehen waren. Nicht das gleiche Paar, das bei ihrem Aufwachen zugegen gewesen war, aber sie waren nicht zufällig da. Sie waren keine Wächter im Sinne des Wortes, aber sie waren sehr wohl auch Wächter. Vor ihnen machte sie auch keinen Knicks. Sie betrachteten sie ausdruckslos.
    Egwene hatte noch kein halbes Dutzend Schritte auf den roten und grünen Fliesen gemacht, da hörte sie hinter sich das gequälte Gebrüll einer Frau, das kaum von der schweren Tür zu Silvianas Arbeitszimmer gedämpft wurde. Also erfüllte Alviarin eine Buße, und sie nahm es nicht gut hin, wenn sie so bald schon aus vollem Hals schrie. Es sei denn, sie versuchte, den Schmerz zu umarmen, was aber unwahrscheinlich erschien. Egwene hätte gern gewusst, warum Alviarin eine Buße zu erfüllen hatte, falls es eine auferlegte Buße war. Ein General hatte Späher und Augen-und-Ohren, die ihn über den Feind informierten. Sie hatte nur ihre eigenen Augen und Ohren und das Wenige, das sie in der Unsichtbaren Welt erfahren konnte. Jedes Fitzelchen Wissen konnte sich als nützlich erweisen, also musste sie alles ausgraben, was möglich war.
    Frühstück oder nicht, sie kehrte lange genug in ihr winzig es Zimmer in den Novizinnenquartieren zurück, um sich am

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