Der Untergang der Shaido
Boden hier fertig seid, werdet Ihr zur Oberin der Novizinnen laufen und sie bitten, Euch wegen Drückebergerei zu bestrafen. Und weil Ihr respektlos zu einer Aes Sedai gewesen seid.«
Egwene begegnete dem wütenden Blick der Frau ruhig.
»Ich habe kaum genug Zeit, um mich nach dem Putzen für meinen Unterricht bei Kiyoshi sauber zu machen. Könnte ich Silviana nach dem Unterricht besuchen?«
Cariandre rückte die Stola zurecht, scheinbar von ihrer Ruhe aus dem Konzept gebracht. »Das ist allein Euer Problem«, sagte sie schließlich. »Kommt, Mattin Stepaneos. Ihr habt diesem Kind lange genug geholfen, sich vor der Arbeit zu drücken.«
Nachdem Egwene Silvianas Arbeitszimmer verließ, blieb ihr nicht genug Zeit, um ihr feuchtes Kleid zu wechseln oder sich gar zu kämmen, nicht, wenn sie pünktlich bei Kiyoshi sein wollte, ohne zu rennen, was sie ablehnte. Also kam sie zu spät, und es stellte sich heraus, dass die schlanke Graue penibel sowohl auf Pünktlichkeit wie auf Ordentlichkeit achtete, sodass sie kaum mehr als eine Stunde später wieder unter Silvianas hart geschwungenem Riemen kreischte und um sich trat. Abgesehen davon, den Schmerz zu umarmen, half ihr noch etwas anderes, das durchzustehen. Die Erinnerung an Mattin Stepaneosʹ nachdenklichen Gesichtsausdruck, als Cariandre ihn den Korridor entlangführte, und wie er sich zweimal über die Schulter zu ihr umdrehte. Sie hatte eine weitere Saat gepflanzt. Genug Saat, und vielleicht würde das, was aus ihr erwuchs, die Risse in der Plattform unter Elaida endgültig sprengen. Genügend Saatkörner würden Elaida stürzen.
Am siebten Tag ihrer Gefangenschaft trug sie wieder in aller Frühe Wasser nach oben, diesmal zum Quartier der Weißen Ajah, da blieb sie plötzlich wie angewurzelt stehen und hatte das Gefühl, einen harten Schlag in den Magen bekommen zu haben. Zwei Frauen mit graufransigen Stolen kamen den Spiralkorridor herunter ihr entgegen, gefolgt von zwei Behütern. Die eine war Melavaire Someinellin, eine stämmige Cairhienerin in kostbarer grauer Wolle und mit weißen Strähnen im Haar. Die andere war Beonin!
»Also habt Ihr mich verraten!«, stieß Egwene wütend herv or. Ihr kam ein Gedanke. Wie konnte Beonin sie verraten haben, nachdem sie ihr die Treue geschworen hatte? »Ihr müsst eine Schwarze Ajah sein!«
Melavaire richtete sich zu ihrer vollen Größe auf, was nicht besonders groß war, da sie kleiner als Egwene war, und stemmte die Fäuste in die üppigen Hüften, bevor sie den Mund öffnete, um ordentlich loszubrüllen. Egwene hatte einmal bei ihr Unterricht gehabt, und obwohl sie für gewöhnlich eine freundliche Frau war, konnte sie furchteinflößend sein, wenn sie wütend wurde.
Beonin legte der Schwester die Hand auf den Arm. »Mel avaire, lasst mich allein mit ihr sprechen.«
»Ich gehe davon aus, dass Ihr streng mit Ihr seid«, sagte Melavaire steif. »Allein auf die Idee zu kommen, eine solche Beschuldigung auszusprechen…! Manche Dinge überhaupt in den Mund zu nehmen…!« Sie schüttelte angewidert den Kopf und entfernte sich ein Stück den Korridor hinauf, gefolgt von ihrem Behüter, der noch breiter als sie war, ein Bär von einem Mann, obwohl er sich mit der erwarteten Behüteranmut bewegte.
Beonin gab ein Zeichen und wartete, bis ihr Behüter, ein schlanker Mann mit einer Narbe im Gesicht, sich ihnen angeschlossen hatte. Sie richtete mehrere Male die Stola.
»Ich, ich habe gar nichts verraten«, sagte sie ruhig. »Niemals hätte ich Euch die Treue geschworen, wenn mich der Saal nicht mit einem Rohrstock hätte prügeln lassen, wenn er die Geheimnisse erfahren hätte, die Ihr kennt. Vielleicht sogar mehr als einmal. Grund genug, um zu schwören, oder? Ich habe nie behauptet, Euch zu lieben, aber ich habe mich an den Eid gehalten, bis man Euch gefangen genommen hat. Aber Ihr seid nicht länger die Amyrlin, richtig? Nicht als Gefangene, nicht, wenn keine Hoffnung bestand, Euch zu retten, wo Ihr doch nicht gerettet werden wolltet. Und Ihr seid wieder Novizin. Was also diesen Eid angeht, es gibt zwei Gründe, warum er nicht länger gilt. Dieses Gerede von Rebellion, es war dummes Gerede. Die Rebellion ist vorbei. Die Weiße Burg wird bald wieder vereint sein, und mir wird das nicht leidtun.«
Egwene nahm die Tragestange von den Schultern, stellte die Wassereimer ab und verschränkte die Arme unter den Brüsten. Sie hatte versucht, seit ihrer Gefangennahme ganz ruhig zu sein - nun ja, außer wenn sie bestraft wurde -,
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