Der Untergang der Shaido
säen, sondern man würde sie mit vollen Händen ausstreuen.
»Ich, ich kann nicht für die anderen Ajahs sprechen«, sagte Beonin, als sie geendet hatte, »aber bei den Grauen sprechen die Schwestern oft davon. In letzter Zeit sind die Augen-und-Ohren sehr beschäftigt. Geheimnisse, die Elaida bewahren wollte, sie kommen jetzt heraus. Ich bin davon überzeugt, dass es bei den anderen genauso ist. Vielleicht ist es nicht nötig, dass ich…«
»Warnt sie und überbringt meine Befehle, Beonin.«
Egwene hob den Tragestab wieder auf die Schultern und rückte ihn in die bequemste Position, die sie finden konnte. Zwei oder drei der Weißen würden sie mit einer Haarbürste oder einem Halbschuh traktieren und sie zu Silviana schicken, wenn sie auf den Gedanken kamen, sie würde trödeln. Den Schmerz zu umarmen, selbst ihn willkommen zu heißen, hieß nicht, ihn unnötigerweise herauszufordern. »Vergesst nicht. Es ist eine Buße, die ich Euch auferlege.«
»Ich werde tun, was Ihr sagt«, erwiderte Beonin mit offensichtlichem Zögern. Plötzlich trat ein harter Ausdruck in ihre Augen, aber er war nicht für Egwene bestimmt. »Es wäre erfreulich, mit ansehen zu können, wie Elaida gestürzt wird«, sagte sie in einem gehässigen Tonfall, bevor sie zu Melavaire eilte.
Diese schockierende Begegnung, die zu einem unerwartet en Sieg geworden war, bescherte Egwene einen schönen Tag, und es machte ihr nicht einmal etwas aus, dass Ferane tatsächlich der Meinung war, sie hätte getrödelt. Die Weiße Sitzende war mollig, aber ihr Arm war so stark wie Silvianas.
An diesem Abend schleppte sie sich nach dem Essen nach unten in die offenen Zellen, obwohl sie nur noch ins Bett wollte. Abgesehen von dem Unterricht und dem Brüllen unter Silvianas Riemen - das letzte Mal kurz vor dem Abendessen - hatte sie den größten Teil des Tages damit verbracht, Wasser zu schleppen. Rücken und Schultern schmerzten. Sie schwankte vor Müdigkeit. Seltsamerweise hatte sie seit ihrer Gefangennahme keine dieser entsetzlichen Kopfschmerzen mehr und auch keinen dieser schlimmen Träume, die sie immer verstört zurückgelassen hatten, obwohl sie sich nie an ihren Inhalt hatte erinnern können, aber vermutlich würde sie heute Nacht prächtige Kopfschmerzen bekommen. Das würde es erschweren, wahre Träume zu bekommen, und sie hatte in letzter Zeit ein paar schöne gehabt, über Rand, Mat, Perrin, sogar über Gawyn, obwohl es bei Letzterem nur einfache Träume gewesen waren.
Leane wurde von drei Weißen Schwestern bewacht, die sie flüchtig kannte: Nagora, eine schlanke Frau mit hellem Haar, das sie in einer Rolle im Nacken trug, und die immer kerzengerade dasaß, um ihre mangelnde Größe auszugleichen; Norine, die mit ihren großen feuchten Augen sehr hübsch aussah, aber oftmals genauso geistesabwesend wie eine Braune war; und Miyasi, groß und mollig mit eisengrauem Haar, eine strenge Frau, die keinen Unsinn duldete, ihn aber überall sah. Nagora hielt Leonins Abschirmung aufrecht, doch sie diskutierten über irgendein Problem der Logik, und Egwene konnte den wenigen Worten, die sie aufschnappen konnte, nicht entnehmen, um was es ging. Sie konnte nicht einmal sagen, ob es zwei unterschiedliche Meinungen oder gar drei gab. Es gab keine erhobenen Stimmen, keine drohenden Fäuste, die Gesichter blieben Aes-Sedai-Masken, aber die Kälte in ihren Stimmen ließ keinen Zweifel, dass, wären sie keine Aes Sedai gewesen, sie sich angeschrien oder gar geprügelt hätten. Der Aufmerksamkeit nach zu urteilen, die sie ihr beim Eintreten schenkten, hätte sie genauso gut nicht existieren können.
Sie beobachtete die drei aus dem Augenwinkel, ging so nahe an die Gitterstäbe heran, wie sie konnte, und packte sie mit beiden Händen, um sich zu stützen. Beim Licht, war sie müde! »Ich habe heute Beonin gesehen«, sagte sie leise. »Sie ist hier in der Burg. Sie behauptete, ihr Treueid mir gegenüber würde keine Bedeutung mehr haben, weil ich nicht länger der Amyrlin-Sitz sei.«
Leane keuchte auf und trat nahe genug heran, dass sie das Gitter berührte. »Sie hat uns verraten?«
»Die natürliche Unmöglichkeit verborgener Strukturen ist eine Voraussetzung«, sagte Nagora entschieden. Ihre Stimme war ein eisiger Hammer. »Eine Voraussetzung.«
»Sie bestreitet es, und ich glaube ihr«, flüsterte Egwene.
»Aber sie gibt zu, die Spione verraten zu haben. Elaida lässt sie im Augenblick nur beobachten, aber ich habe Beonin befohlen, sie zu warnen, und sie
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