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Der Untergang des Abendlandes

Der Untergang des Abendlandes

Titel: Der Untergang des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Spengler
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voneinander den Versuch einer Chronologie machen und zu einer gewissen Übereinstimmung gelangt sind.] Danach liegen die Epochen dieser Kultur je etwa 200 Jahre später als die der arabischen und je etwa 700 Jahre vor denen der abendländischen. Eine Vorkultur, die wie in Ägypten und China Schrift und Kalender entwickelt hat, war vorhanden, ist aber für uns nicht mehr erkennbar. Die Zeitrechnung begann mit einem Anfangsdatum, das weit vor Christi Geburt liegt, dessen Lage zu diesem Datum aber mit Sicherheit nicht mehr festzustellen ist. Sie beweist jedenfalls den außerordentlich stark entwickelten historischen Sinn des mexikanischen Menschen.
    Die Frühzeit der »hellenischen« Mayastaaten ist durch die datierten Reliefpfeiler der alten Städte Copan [Diese Namen sind die der heutigen Dörfer nahe bei den Ruinen. Die wirklichen Namen sind verschollen.] (im Süden), Tikal und etwas später Chichen Itza (im Norden), Naranjo, Seibai bezeugt (etwa 160–450). Am Ausgang dieser Periode wird Chichen Itza mit seinen Bauten für Jahrhunderte vorbildlich; daneben die prachtvolle Blüte von Palenque und Piedras Negras (im Westen). Das würde der Spätgotik und Renaissance entsprechen (450–600, abendländisch 1250–1400?). In der Spätzeit (Barock) erscheint Champutun als Mittelpunkt der Stilbildung; jetzt beginnt die Einwirkung auf die »italischen« Nahuavölker auf der Hochebene von Anahuac, die künstlerisch und geistig nur empfangend, in ihren politischen Instinkten den Maya weit überlegen sind (etwa 600–960, antik 750–400, abendländisch 1400–1750?). Nun beginnt der »Hellenismus« der Maya. Um 960 wird Uxmal gegründet und bald eine Weltstadt vom ersten Range wie die ebenfalls an der Schwelle der Zivilisation gegründeten Weltstädte Alexandria und Bagdad; wir finden daneben eine Reihe glänzender Großstädte wie Labna, Mayapan, Chacmultun und wieder Chichen Itza. Sie bezeichnen den Höhepunkt einer großartigen Architektur, die keinen neuen Stil mehr hervorbringt, aber die alten Motive mit erlesenem Geschmack und in gewaltigen Maßen verwendet. Die Politik wird durch die berühmte Liga von Mayapan (960–1195) beherrscht, ein Bündnis von drei führenden Staaten, welche die Lage trotz großer Kriege und wiederholter Revolutionen, wie es scheint, doch etwas künstlich und gewaltsam aufrecht erhalten (antik 350–150, abendländisch 1800–2000).
    Der Ausgang dieser Periode wird durch eine große Revolution bezeichnet und im Zusammenhang damit greifen die »römischen« Nahuamächte endgültig in die Verhältnisse der Maya ein. Mit ihrer Hilfe hat Hunac Ceel einen allgemeinen Umsturz herbeigeführt und Mayapan zerstört (um 1190, antik etwa 150). Was jetzt folgt, ist die typische Geschichte einer ausgereiften Zivilisation, in welcher einzelne Völker um die militärische Vormacht ringen. Die großen Mayastädte versinken in das beschauliche Glück des römischen Athen und Alexandria. Inzwischen entwickelt sich aber am äußersten Horizont des Nahuagebietes das jüngste dieser Völker, die Azteken, urwüchsig, barbarisch und mit einem unersättlichen Willen zur Macht. Sie gründen 1325 Tenochtitlan (antik etwa Zeit des Augustus), das sich bald zur gebietenden Hauptstadt der ganzen mexikanischen Welt erhebt. Um 1400 beginnt die militärische Expansion im großen Stil; die eroberten Gebiete werden durch Militärkolonien und ein Netz von Heerstraßen gesichert, die abhängigen Staaten durch eine überlegene Diplomatie im Zaume und voneinander getrennt gehalten; das kaiserliche Tenochtitlan wuchs zu riesenhaftem Umfange heran mit einer internationalen Bevölkerung, unter der keine Sprache des Weltreichs fehlte. Die Nahuaprovinzen waren politisch und militärisch gesichert; man drang rasch nach Süden vor und schickte sich an, die Hand auf die Mayastaaten zu legen; es ist nicht abzusehen, welchen Gang die Dinge innerhalb der nächsten hundert Jahre genommen haben würden, da kam das Ende.
    Das Abendland befand sich damals etwa auf der Stufe, welche die Maya um 700 schon überschritten hatten. Erst die Zeit Friedrichs des Großen wäre reif gewesen, die Politik der Liga von Mayapan zu verstehen. Was die Azteken um 1500 organisierten, liegt für uns noch in weiter Zukunft. Was aber schon damals den faustischen Menschen von dem jeder andern Kultur unterschied, war sein unstillbarer Drang in die Ferne, der letzten Endes auch die Vernichtung der mexikanischen und peruanischen Kultur veranlaßt hat. Dieser Drang ist

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