Der Untergang des Abendlandes
babylonischen Imperiums berechnet. Ein Größenverhältnis derselben Ordnung besteht zwischen den Germanenvölkern und den Legionen der Soldatenkaiser des 3. Jahrh. der römischen, und den Truppen der Ptolemäer und Römer der ägyptischen Bevölkerung gegenüber.] Heerhaufen mit einem kräftigen Führer an der Spitze, haben sich da in der Hauptstadt abgelöst, ohne daß die Bevölkerung sich ernsthaft dagegen wehrte. Das ist das erste Beispiel einer »römischen Kaiserzeit«. In Ägypten entwickelten sich die Dinge nicht anders. Unter den Kossäern setzen die Prätorianer dort die Herrscher ein und ab; die Assyrer haben wie die Soldatenkaiser seit Commodus die alten staatsrechtlichen Formen aufrecht erhalten; der Perser Kyros und der Ostgote Theoderich haben sich als Reichsverweser gefühlt, Meder und Langobarden als Herrenvölker im fremden Lande. Aber das sind staatsrechtliche, nicht tatsächliche Unterschiede. Die Legionen des Afrikaners Septimius Severus wollten genau dasselbe wie Alarichs Westgoten, und in der Schlacht bei Adrianopel waren »Römer« und »Barbaren« kaum noch zu unterscheiden.
Seit 1500 entstehen drei neue Kulturen, zuerst die indische im oberen Pendschab, um 1400 die chinesische am mittleren Hoangho, um 1100 die antike am Ägäischen Meere. Wenn die chinesischen Historiker von den drei großen Dynastien – Hia, Schang, Dschou – reden, so entspricht das etwa der Meinung Napoleons, der sich als den Begründer der vierten Dynastie nach den Merowingern, Karolingern und Capetingern bezeichnete. In Wirklichkeit hat jedesmal die dritte den ganzen Verlauf der Kultur miterlebt. Als 441 der Titularkaiser der Dschou-Dynastie zum Staatspensionär des »östlichen Herzogs« und als 1792 »Louis Capet« hingerichtet wurde, ging jedesmal auch die Kultur zur Zivilisation über. Aus der letzten Schangzeit haben sich einige hochaltertümliche Bronzen erhalten, die zur späteren Kunst in demselben Verhältnis stehen wie die mykenische zur frühantiken Keramik und die karolingische Kunst zur romanischen. Die vedische, homerische und chinesische Frühzeit zeigen mit ihren Pfalzen und Burgen, mit Rittertum und Feudalherrschaft das ganze Bild der Gotik, und die »Zeit der großen Protektoren« (Ming-dschu 685–591) entspricht durchaus der Zeit Cromwells, Wallensteins, Richelieus und der älteren antiken Tyrannis.
480–230 setzen die chinesischen Historiker die »Zeit der kämpfenden Staaten« an, die zuletzt in eine hundertjährige ununterbrochene Folge von Kriegen mit Massenheeren und furchtbaren sozialen Erschütterungen auslief und aus welcher der Römerstaat Tsin als Begründer des chinesischen Imperiums hervorging. Das erlebte Ägypten 1800–1550 (seit 1675 die »Hyksoszeit«), die Antike von Chäronea und in furchtbarster Form von den Gracchen an bis Actium (133–31); es ist das Schicksal der westeuropäisch-amerikanischen Welt im 19. und 20. Jahrhundert.
Der Schwerpunkt wird unterdessen, wie von Attika nach Latium, von Hoangho (bei Ho-nan-fu) zum Jangtsekiang (heute Provinz Hupei) verlegt. Der Sikiang war den chinesischen Gelehrten damals so undeutlich wie den alexandrinischen die Elbe, und von der Existenz Indiens hatten sie noch keine Ahnung.
Wie auf der andern Seite der Weltkugel die Kaiser des julisch-claudischen Hauses, erscheint hier der gewaltige Wang-dscheng, der in den Entscheidungskämpfen Tsin zur Alleinherrschaft führt und 221 den Titel Augustus (»Schi« bedeutet genau dasselbe) und den Cäsarennamen Hoang-ti annimmt. Er begründet den »chinesischen Frieden«, führt in dem erschöpften Imperium seine große Sozialreform durch und beginnt bereits, ganz römisch, den Bau des chinesischen Limes, der berühmten Mauer, für die er 214 einen Teil der Mongolei erobert. (Bei den Römern beginnt sich seit der Varusschlacht der Begriff einer feststehenden Grenze gegen die Barbaren zu bilden; die Befestigungen sind dann noch im 1. Jahrhundert angelegt worden.) Er hat auch als der erste in großen Kriegszügen die barbarischen Stämme südlich des Jangtsekiang unterworfen und das Gebiet durch Militärstraßen, Ansiedlungen und Kastelle gesichert. Ebenso römisch ist aber auch die Familiengeschichte seines Hauses, das in neronischen Greueln rasch zu Ende ging, in denen der Kanzler Lui-schi, der erste Gatte der Kaisermutter, und der große Staatsmann Li-sze, der Agrippa seiner Zeit und Begründer der chinesischen Einheitsschrift, eine Rolle spielten. Es folgen die beiden Han-Dynastien (die
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