Der Untergang
seiner Nase strömte. »Abu Dun, der Vater des Todes!«
Für einen schier unendlich langen Moment hätte man eine Nadel fallen hören können. Dann aber begann
irgendjemand zu applaudieren, ein zweiter tat es ihm gleich, und plötzlich schien das ganze Lager unter
dem tosenden Applaus der Menge zu erbeben. Pfiffe und Hurra-Rufe wurden laut.
Andrej atmete erleichtert auf. Der Moment der Gefahr schien gebannt, und anscheinend hatte er den Ton
des prahlerischen Marktschreiers gut genug getroffen, um die Menge davon zu überzeugen, dass sie nur
Zeuge eines besonders gelungenen Taschenspielertricks geworden war.
Und dennoch ließ sich Andrej von der allgemeinen Begeisterung nicht täuschen. Denn er sah, dass
mitnichten alle Zuschauer applaudierten. Der eine oder andere stand immer noch wie gelähmt da und
starrte ihn aus großen Augen an, und auf mehr als einem Gesicht entdeckte er Argwohn, ja, pure Angst.
So wartete er noch einige Momente, ehe er sich zu Abu Dun umwandte und ihm im Vorübergehen
zuraunte: »Ich will dich sprechen. In meinem Wagen. Sofort.«
Abu Dun bleckte die blutverschmierten Zähne zu einem Grinsen, wofür Andrej sie ihm am liebsten auf der
Stelle eingeschlagen hätte. Mit einem Ruck fuhr er herum, sprang von der Bühne und eilte zu seinem
Wagen.
Er kam nicht dazu, mit Abu Dun zu reden; jedenfalls nicht so, wie er es vorgehabt hatte, und nicht an
diesem Abend.
Sowohl die Zuschauer als auch die anwesenden Sinti hatten ihm teils respekt-, teils angstvoll Platz
gemacht, als er auf seinen Wagen zuschritt, und tatsächlich war Abu Dun ihm schon nach wenigen
Augenblicken gefolgt. Aber er war nicht allein gekommen, sondern in Begleitung von Laurus und Elena.
Und Laurus hatte die folgenden Minuten damit zugebracht, so lautstark herumzutoben, dass man ihn
zweifellos im ganzen Lager hören konnte, und Andrej und Abu Dun mit derart fantasievollen
Schimpfworten zu belegen, dass selbst der Nubier ein paar Mal überrascht die Augenbraue gehoben hatte.
Und es wurde nicht besser. Laurus schien nicht die Absicht zu haben, sich irgendwann beruhigen zu
wollen, sondern brüllte sich ganz im Gegenteil immer mehr in Rage, bis es schließlich selbst Elena zu viel
wurde und sie ihm besänftigend eine Hand auf den Unterarm legre.
Laurus schüttelte sie unwirsch ab, aber er verstummte und presste für einen Moment die Kiefer so fest
aufeinander, dass man seine Zähne knirschen hören konnte. Dabei sah er Abu Dun und Andrej wütend
und herausfordernd zugleich an.
»Und jetzt will ich wissen, was das alles zu bedeuten hat«, sagte er schließlich. Er hatte diese Frage in den
zurückliegenden Minuten mindestens zehn Mal gestellt, allerdings ohne ihnen die Gelegenheit zu einer
Antwort zu geben. Jetzt aber wartete er sichtlich darauf, und auch wenn seine Stimme leiser geworden
war, so hatte sich doch ein neuer Ton hineingeschlichen, der Andrej deutlich machte, dass es besser war,
darauf einzugehen: Und zwar auf eine Art, die Laurus überzeugte.
»Das war nur ein Trick«, sagte er. »Euer Sohn hat es doch selbst gesagt, Laurus: Abu Dun ist ein großer
Zauberer. Wir haben -«
»Humbug!«, zischte Laurus auf eine Art, die ihn trotzdem irgendwie schreien ließ. »Ich weiß, was ich
gesehen habe. Ich habe -«
»- genau das gesehen, was Ihr sehen solltet«, unterbrach ihn Abu Dun. Er tauschte einen beredten Blick
mit Andrej und fuhr dann mit einem Lächeln fort: »Es war nichts als ein Taschenspielertrick, Laurus.
Genau wie Andreas sagt.«
»Taschenspielertrick?«, höhnte Laurus. »Ich bin weder dumm noch blind, Muselmann. Ich habe
schließlich gesehen, wie dein Schwert ihn aufgespießt hat.«
»Ihr habt gesehen, was Ihr zu sehen erwartet habt, Laurus«, sagte Andrej. »Glaubt uns - es war nichts als
ein Trick.
Wenngleich ein wirklich guter.«
»Eigentlich wollten wir ihn erst morgen Abend zum Besten geben«, fügte Abu Dun hinzu, »aber dann
erschien mir der Moment günstig, ihn erst mal vor einem nicht ganz so großen Publikum zu probieren.«
»Ein Trick?«, fragte Laurus noch einmal. Er sah Elena an, erntete nur ein hilfloses Achselzucken, dann
Abu Dun und schließlich Andrej. »Das ist nicht wahr.«
»Natürlich ist es wahr«, behauptete Andrej und ließ seine linke Hand auf die völlig unversehrte Haut
seines nackten Oberkörpers klatschen. »Ich stehe ohne einen Kratzer vor Euch, oder? Schweineblut, ein
präpariertes Schwert und eine flinke Hand sind alles, was nötig ist, um das Auge zu täuschen. Vor allem
dann, wenn es
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