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Der Untergang

Der Untergang

Titel: Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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können«, erwiderte Andrej.
»Ja, vermutlich.« Rason sah noch einmal in die Richtung, in der seine Schwester verschwunden war, dann
lachte er leise. »Mach dir nichts draus. Sie ist eine temperamentvolle Frau, aber sie verzeiht genauso
schnell, wie sie wütend wird. Du wirst sehen, spätestens heute Abend hat sie die Sache wieder vergessen.
Aber nimm noch einen guten Rat von mir an: Misch dich nie wieder ein, wenn sie versucht, ein Geschäft
zu machen.«
»Werde ich mir merken«, versprach Andrej. »Hast du übrigens Abu Dun gesehen?«
»Deinen einsilbigen Freund? Schon, aber das ist eine Weile her.
Er ist weggeritten.«
»Weggeritten?«
Andrejs Frage musste erschrockener geklungen haben, als ihm selbst klar war, denn Rason hob
besänftigend die Hände. »Ohne sein Gepäck natürlich. Ich glaube nicht, dass er vorhatte, hier seine Zelte
abzubrechen.«
»Hat er gesagt, wohin er wollte?«
»Nein, ich hab aber gesehen, dass er wieder dahin zurückgeritten ist, von wo wir gekommen sind«,
antwortete Rason.
»Vielleicht wollte er einfach nur einen klaren Kopf bekommen.«
Andrej deutete nach Osten. »In diese Richtung?«
»Dein Pferd ist schon gesattelt«, sagte Rason. Andrej sah ihn erstaunt an, und der junge Zigeuner fuhr mit
einem Lächeln fort:
»Ich hab mir gedacht, dass du so reagieren würdest.«
»Du hast ganz vergessen, mir zu erzählen, dass du Gedanken lesen kannst«, sagte Andrej.
»Das kann ich nicht«, widersprach Rason ernst. »Aber bei den meisten Leuten ist es nicht schwer, sie zu
erraten. Man muss nur genau beobachten.«
»Über diesen Trick müssen wir noch reden«, sagte Andrej, »aber erst, wenn ich zurück bin. Wo genau
hast du mein Pferd gesattelt?«
»Auf dem Rücken«, witzelte Rason. »Ich hab’s hinter unserem Wagen angebunden. Ach ja, bei Einbruch
der Dunkelheit essen wir. Wenn ihr was abhaben wollt, solltet ihr bis dahin zurück sein.«

DRITTES KAPITEL
    Er musste fast eine Stunde reiten, bevor er Abu Dun fand. Er war den Weg zurückgeritten, den der Tross
am Morgen genommen hatte, und dann ein gutes Stück in den Sumpf hinein, durch den sich die schmale
Straße schlängelte.
Andrej hatte sehr mit sich gerungen, ob er das Lager überhaupt verlassen sollte, um nach dem Nubier zu
suchen. Tatsache war, dass er sich über ihn geärgert hatte. Obwohl Abu Dun der vielleicht einzige Mensch
war, den er mit Fug und Recht als seinen Freund bezeichnen konnte, war er zugleich auch derjenige, der
Andrej am leichtesten mit nur wenigen Worten zur Raserei treiben konnte.
Er dachte an das Gespräch, das sie am Morgen geführt hatten. Er hatte die Trauer in Abu Duns Stimme
gehört und den Schmerz in seinen Augen gelesen.
Als er den hünenhaften Schwarzen schließlich entdeckt hatte, beeilte er sich nicht, zu ihm zu gelangen. Es
war noch nie Andrejs Sache gewesen, sich zu entschuldigen. Heute aber hatte er regelrecht Angst davor,
dem Freund gegenüberzutreten.
Abu Dun war von seinem Pferd gestiegen und ein gutes Stück von der Straße abgewichen - ein Umstand,
der Andrej mit Sorge erfüllte. Der ehemalige Sklavenhändler war zwar durchaus in der Lage, auf sich
selbst aufzupassen, doch trotz all der Zeit, die sie jetzt gemeinsam unterwegs waren, war Andrej nicht
sicher, ob der Araber wusste, wie gefährlich das Moor sein konnte. So unterdrückte er den Impuls, ihm
eine Warnung zuzurufen - die Reaktion darauf konnte er sich lebhaft vorstellen -, lenkte sein Pferd neben
das des hünenhaften Schwarzen, das am Wegesrand stand, und stieg ab. Er hatte nicht bemüht, leise zu
sein, und Abu Dun hätte ihn längst bemerkt haben müssen, doch der Nubier tat so, als wäre dies nicht der
Fall. Vielmehr war sein Blick unverwandt zu Boden gerichtet. Offensichtlich suchte er etwas.
Andrejs Blick fiel auf das Pferd des Freundes. Es war gesattelt und aufgezäumt, trug jedoch kein Gepäck,
wie er erleichtert feststellte. Offensichtlich hatte Abu Dun nicht vorgehabt, für immer fortzugehen.
Vorsichtig, stets genau den Fuß in die flachen Spuren setzend, die Abu Dun hinterlassen hatte und die sich
hie und da bereits mit ölig schimmerndem Wasser füllten, folgte er dem Nubier. Als er ihn fast eingeholt
hatte, blieb er stehen und wartete darauf, dass Abu Dun endlich Notiz von ihm nahm. Doch der tat ihm
den Gefallen nicht, sondern spielte weiter den Beschäftigten, der aufmerksam den Boden vor sich
absuchte.
»Das ist kindisch«, sagte Andrej schließlich.
»Was?« Abu Dun hob weder den Blick, noch drehte er sich um.
»Das, was wir

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