Der Untergang
Delãny.
Und der gute Mann hat Recht: Es ist nur ein kleines Missverständnis, das eigentlich schon fast geklärt ist.«
»Seid Ihr ein gläubiger Christenmensch und lest Ihr die Bibel, Freund Andreas?«, fragte Flock.
Andrej blinzelte. »Warum fragt Ihr?«
Auf dem glatten Gesicht seines Gegenübers erschien ein schwaches Lächeln. »Weil Ihr dann wissen
solltet, dass es eine Sünde ist, zu lügen«, antwortete Flock. »Auch wenn ich nicht glaube, dass Ihr für eine
solche Kleinigkeit schon im Höllenfeuer schmoren werdet. Aber man kann nie wissen.
Eins kommt zum anderen.«
Es fiel Andrej schwer, zu entscheiden, ob das nur das Geplapper eines beflissenen Pfaffen oder eine
versteckte Drohung war. Besser, er ging von Letzterem aus. So wenig er die Männer der Kirche mochte,
so sehr hatte er gelernt, vor ihnen auf der Hut zu sein, auch wenn sie sich die Maske der Freundlichkeit
vorhielten. »Ihr habt Recht«, räumte er mit einem Lächeln ein. »Ich entschuldige mich. Wir hatten in der
Tat einen kleinen Disput. Aber wie gesagt - er ist schon beinahe beigelegt.«
»Dann wird es Euch nichts ausmachen, mir zu sagen, worum es dabei ging?«
Das machte Andrej allerdings etwas aus, aber noch bevor er antworten konnte, kam ihm einer der
Krämersöhne zuvor.
»Er gehört zu der Hexe, die unseren Vater verzaubert hat«, sagte der Junge. »Wahrscheinlich ist er ein
Mörder, der nur auf einen Vorwand wartet, um uns die Kehle durchzuschneiden.«
Es kostete Andrej einiges an Überwindung, sich nicht zu dem Jungen umzudrehen und ihn mit einem
einzigen Blick in seine Schranken zu weisen. Stattdessen behielt er weiter Flock im Auge, und was er sah,
bestätigte ihn in seiner ersten Einschätzung: Der Geistliche hatte sich hervorragend in der Gewalt. In
seinem Gesicht rührte sich kein Muskel, aber die Düsternis in seinem Blick schien zuzunehmen, und
Andrej spürte die grimmige Befriedigung des Mannes, seinen tief sitzenden Glauben an das Schlechte im
Menschen bestätigt zu sehen.
Doch überraschenderweise lächelte Flock plötzlich und wandte sich mit sanfter Stimme an den Jungen.
»Eine Hexe, die deinen Vater verzaubert hat?«, fragte er. »Mit solchen Worten sollte man vorsichtig sein,
mein Kind. Sie sind rasch ausgesprochen, aber nur schwer wieder zurückzunehmen. Und sie können viel
Unheil anrichten.«
»Hört nicht auf meinen Sohn«, lenkte der Krämer ein.
Seine Stimme zitterte. »Er ist ein dummer Bengel, der nicht weiß, was er sagt.«
»Dann sagt Ihr es mir«, verlangte Flock.
Der Krämer wand sich einen Moment, doch bevor er antworten konnte, flog die Tür der Gaststube auf,
und Elena trat hinaus. Sie musste wohl einen Teil des Gespräches mitangehört haben, denn sie bedachte
sowohl den Krämer und seine Söhne als auch den Geistlichen mit Blicken, die nicht die Spur von
Überraschung zeigten. »Vielleicht kann ich Eure Frage beantworten, Hochwürden.«
»Bruder reicht«, erwiderte Flock. »Ich bin nur ein geringer Diener des Herrn.«
»Sind wir das nicht alle, gleich, welchen Titel und Rang wir auf Erden auch bekleiden?«, gab Elena
zurück. »Wie dem auch sei, Andreas und ich haben heute Morgen Waren bei diesem guten Mann
erstanden, und anscheinend ist er mit dem ausgemachten Preis nicht einverstanden.«
»Ist das wahr?«, fragte Flock.
»Preis?«, schnaubte der Krämer. Er hatte nicht den Mut, Elena oder dem Geistlichen in die Augen zu
sehen, stattdessen funkelte er Andrej böse an. »Was dieses Weib einen Preis nennt, ist ein Witz! Sie hat
die Hälfte von dem bezahlt, was ich selbst für die Waren gegeben habe!«
»Nun, das dürfte ein wenig übertrieben sein«, sagte Elena mit einem angedeuteten Lächeln, »aber ich
muss gestehen, dass ich selbst ein wenig erstaunt war. Ich habe ein Angebot gemacht, und er ist sofort
darauf eingegangen, ohne auch nur zu handeln.«
»Unsinn!«, stieß der Krämer hervor. »Sie hat mich …
verhext!«
Andrej bemerkte, wie schwer es dem Mann fiel, dieses Wort auszusprechen, und für einen Moment
schwebte es über ihnen wie ein Beil, das jeden Moment auf sie herabzusausen drohte.
Es war - ganz wie Flock gesagt hatte -, etwas, das einmal heraufbeschworen, Unheil anzurichten
vermochte. Andrej spannte sich. Er glaubte - er hoffte - immer noch nicht, dass es wirklich zu einer
tätlichen Auseinandersetzung kommen würde, aber die Situation begann eindeutig aus dem Ruder zu
laufen.
Der Geistliche reagierte jedoch anders als erwartet. Sein Blick ruhte einen Moment auf Elena, und ein
dünnes, aber
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