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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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beschwörend: »Sie werden doch keine Dummheiten machen?« Sie lachte wegwerfend. »Doktor Heßling hat Angst! Er findet die Geschichte zu gemein, ich finde sie bloß ulkig.« Und laut lachend: »Was sagst du?
    Dein Vater soll mit meiner Mutter: du verstehst. Und infolgedessen sollen wir: du verstehst?«
    Buck bewegte langsam den Kopf; und dann verzog er den Mund. »Wenn schon.« Da lachte Guste nicht mehr.
    »Wieso, wenn schon?«
    »Nun, wenn die Netziger an so etwas glauben, muß es bei ihnen wohl alle Tage vorkommen, tut also nichts.«
    »Redensarten machen den Kohl nicht fett«, entschied Guste. Diederich glaubte sich denn doch verwahren zu müssen.
    »Überall können Fehltritte vorkommen. Aber über die Meinung seiner Mitmenschen setzt niemand sich ungestraft hinweg.«
    Guste bemerkte: »Er glaubt immer, er ist zu gut für diese Welt.« Und Diederich: »Dies ist eine harte Zeit. Wer sich nicht wehrt, muß dran glauben.« Da rief Guste voll schmerzlicher Begeisterung: »Doktor Heßling ist nicht wie du! Er hat mich verteidigt! Ich hab den Beweis, daß ich es weiß, von Meta Harnisch, weil sie schließlich hat müssen den Mund auftun. Er war überhaupt der einzige, der mich hat verteidigt. Er an deiner Stelle täte sich die Leute kaufen, die sich unterstehn und verklatschen mich!«
    Diederich bestätigte es durch Nicken. Buck drehte immerfort sein Glas und spiegelte sich darin. Plötzlich ließ er es los.
    »Wer sagt euch denn, daß ich mir nicht auch ganz gern einmal einen kaufen würde — einen herausgreifen, ohne besondere Auswahl, weil doch alle so ziemlich gleich dumm und gemein sind?« Dabei kniff er die Augen zu. Guste hob die nackten Schultern.
    »So was sagt man, aber sie sind gar nicht so dumm, sie wissen, was sie wollen... Der Dümmere ist der Klügere«, schloß sie herausfordernd, und Diederich nickte mit Ironie. Da sah Buck ihn an, aus Augen, die auf einmal wie irrsinnig waren. Die Fäuste bewegte er mit krampfigem Zittern um seinen Hals her. »Wenn ich aber« — er war plötzlich ganz heiser —, »wenn ich den einen am Kragen hätte, von dem ich wüßte, er zettelt alles an, er faßt in seiner Person zusammen, was an allen häßlich und schlecht ist: ihn am Kragen hätte, der das Gesamtbild wäre alles Unmenschlichen, alles Untermenschlichen —« Diederich, weiß wie sein Frackhemd, drückte sich seitwärts vom Stuhl herunter und wich schrittweise zurück. Guste schrie auf, sie stob panikartig nach der Wand. »Es ist der Kognak!« rief Diederich ihr zu... Aber Bucks Blicke, die zwischen ihnen beiden, voll des gräßlichsten Unheils, umherrollten, packten unvermittelt ein. Er zwinkerte, er glänzte heiter.
    »An die Mischung bin ich leider gewöhnt«, erklärte er. »Es ist nur, damit ihr seht, wir können auch das.«
    Diederich setzte sich polternd wieder hin. »Sie sind doch nur ein Komödiant«, sagte er entrüstet.
    »Finden Sie?« fragte Buck und glänzte noch heller. Guste rümpfte die Nase. »Na, dann amüsiert euch weiter«, äußerte sie und wollte gehen. Aber der Landgerichtsrat Fritzsche war da, verbeugte sich vor ihr und auch vor Buck. Ob der Herr Rechtsanwalt gestatte, daß er mit dem Fräulein Braut den Kotillon tanze. Er sprach äußerst höflich, beschwichtigend gewissermaßen. Buck antwortete nicht, er faltete die Brauen. Guste indessen hatte schon Fritzsches Arm genommen.
    Buck sah ihnen nach, eine Falte zwischen den Brauen, selbstvergessen. ›Ja, ja‹, dachte Diederich, ›erfreulich ist es nicht, wenn man einem Herrn begegnet, der mit Ihrer Schwester, mein Bester, eine Vergnügungsreise gemacht hat, und dann holt er einem die Braut vom Tisch weg, und du kannst nichts machen, weil sonst der Skandal noch größer wird, weil nämlich unsere Verlobung selbst schon ein Skandal ist...‹
    Aufschreckend sagte Buck: »Wissen Sie, daß ich erst jetzt rechte Lust bekomme, Fräulein Daimchen zu ehelichen? Ich hielt die Sache für — nicht sehr sensationell; aber die Einwohner von Netzig machen geradezu eine Pikanterie daraus.«
    Diederich war starr über diese Wirkung. »Wenn Sie finden«, brachte er hervor.
    »Warum nicht? Sie und ich, wir beiden Gegenpole, führen doch hier die vorgeschrittenen Tendenzen der moralfreien Epoche ein. Wir machen Betrieb. Der Geist der Zeit geht hier noch in Filzschuhen über die Straße.«
    »Wir werden ihm Sporen anlegen«, verhieß Diederich.
    »Prost!«
    »Prost! Aber meine Sporen« — Diederich blitzte. »Ihre Skepsis und Ihre schlappe Gesinnung

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