Der Untertan
und die Rosen von meinem Hut schmeiß ich auch hin!« — »Wenn er dich aber sieht, und du machst ihm Eindruck?« fragte Diederich und lächelte fieberhaft. Gustes Busen begann zu wogen, sie senkte die Lider. Diederich, der keuchte, riß sich los aus der furchtbaren Spannung. »Meine Mannesehre ist mir heilig, was ich hiermit feststelle. In diesem Falle aber —« Und er schloß mit einer knappen Geste.
Da kam man an — aber ganz anders, als die Gatten es erträumt hatten. In größter Verwirrung wurden die Reisenden von Beamten aus dem Bahnhof gedrängt, bis an den Rand eines weiten Platzes und in die Straßen dahinter, die sofort wieder abgesperrt wurden. Aber Diederich, in entfesselter Begeisterung, durchbrach die Schranken. Guste, die entsetzt die Arme reckte, ließ er mit allem Handgepäck dastehen und stürzte drauflos. Schon war er inmitten des Platzes; zwei Soldaten mit Federhüten jagten ihm nach, daß ihre bunten Frackschöße flogen. Da schritten die Bahnhofsrampe mehrere Herren herab, und alsbald fuhr ein Wagen auf Diederich zu. Diederich schwenkte den Hut, er brüllte auf, daß die Herren im Wagen ihr Gespräch unterbrachen. Der rechts neigte sich vor — und sie sahen einander an, Diederich und sein Kaiser. Der Kaiser lächelte kalt prüfend mit den Augenfalten, und die Falten am Mund ließ er ein wenig herab. Diederich lief ein Stück mit, die Augen weit aufgerissen, immer schreiend und den Hut schwenkend, und einige Sekunden lang waren sie, indes ringsum dahinten eine fremde Menge ihnen Beifall klatschte, in der Mitte des leeren Platzes und unter einem knallblauen Himmel ganz miteinander allein, der Kaiser und sein Untertan.
Schon verschwand der Wagen drüben in der beflaggten Straße, die Hochrufe schwollen schon ab in der Ferne, und Diederich, der aufseufzte und die Augen schloß, setzte den Hut wieder auf.
Guste winkte ihn krampfhaft herbei, und die Leute, die noch umherstanden, klatschten ihm zu, mit Gesichtern voll heiteren Wohlwollens. Auch die Soldaten, die vorhin ihn verfolgt hatten, lachten nun. Einer von ihnen ging in seiner Teilnahme so weit, daß er einen Kutscher herbeirief. Wie er abfuhr, grüßte Diederich die Menge. »Sie sind wie die Kinder«, erklärte er seiner Gattin. »Na, aber auch entsprechend schlapp«, setzte er hinzu, und er gestand: »In Berlin wäre das denn doch nicht gegangen... Wenn ich an den Krawall Unter den Linden denke, der Betrieb war 'n bißchen schärfer.« Und er setzte sich zurecht, um am Hotel vorzufahren. Dank seiner Haltung bekamen sie ein Zimmer im zweiten Stock.
Die erste Morgensonne aber sah Diederich schon wieder in den Straßen. »Der Kaiser steht früh auf«, hatte er Guste bedeutet, die nur aus den Kissen grunzte. Übrigens konnte er sie nicht brauchen bei seiner Aufgabe. Den Finger auf dem Plan der Stadt, gelangte er bis vor den Quirinal und stellte sich hin. Der stille Platz war hellgolden von schrägen Strahlen, grell und wuchtig im leeren Himmel stand der Palast — und gegenüber Diederich, der Majestät gewärtig, auf vorgestreckter Brust den Kronenorden vierter Klasse. Die Treppen herauf aus der Stadt trippelte eine Ziegenherde und verschwand hinter dem Brunnen und den riesigen Rossebändigern. Diederich sah sich nicht um. Zwei Stunden vergingen, die Passanten wurden häufiger, eine Schildwache war hinter ihrem Haus hervorgekommen, in einem der beiden Portale bewegte sich ein Portier, und mehrere Personen gingen ein oder aus. Diederich ward unruhig. Er machte sich näher an die Fassade heran, strich langsam vorbei, gespannt ins Innere spähend. Bei seinem dritten Erscheinen führte der Portier, ein wenig zögernd, die Hand an den Hut. Als Diederich stehenblieb und zurückgrüßte, ward er vertraulich. »Alles in Ordnung«, sagte er hinter der Hand; und Diederich nahm die Meldung mit einer Miene des Einverständnisses entgegen. Es schien ihm nur natürlich, daß man ihn über das Wohlergehen seines Kaisers unterrichtete. Seine Fragen, wann der Kaiser ausfahren werde und wohin, wurden anstandslos beantwortet. Der Portier verfiel von selbst darauf, daß Diederich, um den Kaiser zu begleiten, einen Wagen brauchen werde, und er schickte danach. Inzwischen hatte ein Häuflein Neugieriger sich gebildet, und dann trat der Portier beiseite; hinter einem Vorreiter, im offenen Wagen, erschien, unter dem Blitzen seines Adlerhelms, der blonde Herr des Nordens. Diederichs Hut flog schon, Diederich schrie, wie aus der Pistole geschossen, auf
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