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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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nochmals auf. Eisern stand er vor ihr, ordenbehangen, eisern und blitzend. »Bevor wir zur Sache selbst schreiten«, sagte er abgehackt, »gedenken wir Seiner Majestät unseres allergnädigsten Kaisers. Denn die Sache hat den höheren Zweck, daß wir Seiner Majestät Ehre machen und tüchtig Soldaten liefern.«
    »Oh!« machte Guste, von dem Gefunkel auf seiner Brust entrückt in höheren Glanz. »Bist — du — das — Diederich?«

VI

    Herr und Frau Doktor Heßling aus Netzig sahen einander stumm an im Lift des Züricher Hotel, denn man fuhr sie in den vierten Stock. Dies war das Ergebnis des Blickes, den der Geschäftsführer schnell und schonend über sie hingeführt hatte. Diederich füllte gehorsam den Meldezettel aus; erst als der Oberkellner fort war, äußerte er seine Entrüstung über den Betrieb hier und über Zürich. Sie ward immer lauter und verdichtete sich zu dem Vorsatz, an Baedeker zu schreiben. Da diese Vergeltung indes zu wenig greifbar schien, machte er kehrt gegen Guste: ihr Hut sei schuld. Guste wieder schob es auf Diederichs Hohenzollernmantel. So stürzten sie denn zum Lunch mit hochroten Köpfen. An der Tür machten sie halt und schnauften unter den Blicken der Gäste, Diederich im Smoking, Guste aber mit einem Hut, der Bänder, Federn und Schnalle, alles auf einmal, hatte und der unzweifelhaft in die Beletage gehörte. Ihr Bekannter, der Oberkellner, führte sie im Triumph zu ihren Plätzen.
    Mit Zürich und auch mit dem Hotel versöhnten sie sich am Abend. Denn erstens war das Zimmer im vierten Stock nicht ehrenvoll, aber billig; und dann hing gerade gegenüber den Betten des Ehepaares eine fast lebensgroße Odaliske, der bräunliche Leib hinschwellend auf üppigem Polster, mit den Händen unter dem Kopf, feuchtes Schmachten im schwarzen Spalt der Augen. In der Mitte war sie von dem Rahmen zerschnitten, was dem Ehepaar Anlaß zu Scherzen gab. Am nächsten Tage gingen sie umher mit Blei in den Lidern, verschlangen riesige Mahlzeiten und fragten sich nur, was erst geschehen wäre, wenn die Odaliske nicht in der Mitte zerschnitten, sondern ganz gewesen wäre. Aus Müdigkeit versäumten sie den Zug und kehrten am Abend, so früh wie möglich, in ihr billiges und aufreibendes Zimmer zurück. Ein Ende dieser Art zu leben war nicht absehbar; da las Diederich mit seinen schweren Lidern in der Zeitung, daß der Kaiser unterwegs nach Rom sei zum Besuch des Königs von Italien. Ein Schlag, er war aufgewacht. Elastisch bewegte er sich zum Portier, ins Büro, an den Lift; und mochte Guste jammern, daß ihr schwindlig werde, die Koffer waren schon fertig. Diederich schleifte Guste schon hinaus. »Muß es denn sein?« klagte sie, »wo doch das Bett so gut ist!« Aber Diederich hinterließ nur noch einen höhnischen Blick für die Odaliske. »Amüsieren Sie sich weiter gut, meine Gnädigste!«
    Vor Aufregung schlief er lange nicht. Guste schnarchte friedlich an seiner Schulter, indes Diederich, durch die Nacht sausend, bedachte, wie nun auf einer anderen Linie, aber nicht weniger sausend, demselben Ziel der Kaiser selbst entgegenfuhr. Der Kaiser und Diederich machten ein Wettrennen! Und da Diederich schon mehrmals im Leben hatte Gedanken äußern dürfen, die auf mystische Art mit denen des Allerhöchsten Herrn zusammenzufallen schienen, vielleicht wußte Seine Majestät zu dieser Stunde um Diederich: wußte, daß sein treuer Untertan ihm zur Seite über die Alpen zog, um den feigen Welschen mal klarzumachen, was Kaisertreue heißt. Er blitzte die Schläfer auf der anderen Bank an, kleine schwarze Leute, deren Gesichter im Schlaf verfallen aussahen. Germanische Reckenhaftigkeit sollten sie kennenlernen!
    Früh in Mailand und mittags in Florenz stiegen Reisende aus, was Diederich nicht begriff. Er versuchte, ohne merklichen Erfolg, den Übriggebliebenen beizubringen, welches Ereignis sie in Rom erwarte. Zwei Amerikaner zeigten sich empfänglicher, worauf Diederich triumphierend: »Na, Sie beneiden uns wohl auch um unsern Kaiser!« Da sahen die Amerikaner einander an, mit einer stummen Frage, die ergebnislos blieb.
    Vor Rom ging Diederichs Aufregung in wilden Tätigkeitsdrang über. Den Finger in einem Sprachführer, lief er dem Zugpersonal nach und suchte in Erfahrung zu bringen, wer früher ankommen werde, sein Kaiser oder er. Gustes Leidenschaft hatte sich an der des Gatten entzündet. »Diedel!« rief sie. »Ich bin imstande und werf ihm meinen Reiseschleier auf den Weg, damit daß er darüber geht,

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