Der Untertan
zitternde Faust. Sie schnaubten sich an; Sötbier rollte blutige Augäpfel, Diederich blitzte. Dann trat der Alte zurück. »Nein, so soll es nicht kommen. Ich war immer ein treuer Diener meines alten Herrn. Mein Gewissen gebietet mir, seinem Nachfolger meine bewährte Kraft so lange als möglich zu erhalten.«
»Das könnte Ihnen passen«, sagte Diederich hart und kalt. »Seien Sie froh, wenn ich Sie nicht direkt hinauswerfe. Schreiben Sie nur gleich Ihr Entlassungsgesuch, es ist schon bewilligt.« Und er schritt von dannen.
Beim Notar verlangte er, daß in den Kaufvertrag als Käufer »Unbekannt« gesetzt werde. Karnauke feixte. »Unbekannt ist gut. Wir kennen doch Herrn von Quitzin.« Darauf lächelte auch der Notar. »Ich sehe«, sagte er, »Herr von Quitzin arrondiert sich. Bislang gehörte ihm in der Meisestraße nur die kleine Kneipe Zum Huhn. Aber wegen der beiden Grundstücke hinter dem Ihren, Herr Doktor, verhandelt er auch schon. Dann grenzt er an den Stadtpark und hat Platz für riesige Anlagen.«
Diederich zitterte schon wieder. Leise bat er den Notar um Diskretion, so lange es gehe. Dann nahm er Abschied, er habe keine Zeit zu verlieren. »Weiß ich«, sagte der Premierleutnant und hielt ihn fest. »Freudentag. Frühstück Hotel Reichshof. Bin gerüstet.« Er öffnete das grüne Mäntelchen und zeigte auf seinen zerknitterten Gesellschaftsanzug. Diederich sah ihn entsetzt an, er versuchte sich zu wehren; aber der Leutnant drohte wieder mit seinen Zeugen.
Die Braut wartete schon längst, die beiden Mütter trockneten ihr die Tränen, unter dem anzüglichen Lächeln der anwesenden Damen. Auch dieser Bräutigam ging durch!
Magda und Kienast waren empört; und zwischen Schweinichenstraße und Meisestraße liefen Boten... Endlich! Diederich war da, wenn auch in seinem alten Frack. Er gab nicht einmal Erklärungen. Am Standesamt und in der Kirche wirkte er verstört. Allerseits bemerkte man, auf einer so zustande gekommenen Verbindung ruhe kein Segen. Auch Pastor Zillich erwähnte in seiner Ansprache, daß der irdische Besitz etwas Vergängliches sei. Man begriff seine Enttäuschung. Käthchen war gar nicht erschienen.
Beim Hochzeitsfrühstück aß Diederich schweigend und sichtlich noch anders beschäftigt. Selbst das Essen vergaß er oft und stierte in die Luft. Einzig der Premierleutnant Karnauke hatte die Gabe, seine Aufmerksamkeit zu wecken. Freilich tat der Leutnant das Seine; schon nach der Suppe brachte er einen Toast auf die Braut aus, mit Anspielungen, denen die Versammlung nach Maßgabe ihres bisherigen Weingenusses noch nicht gewachsen war. Mehr beunruhigt ward Diederich durch gewisse andere Wendungen Karnaukes, die er mit Zwinkern nach seinem Platz begleitete und die leider auch Kienast nachdenklich stimmten. Der Zeitpunkt, den Diederich mit Herzklopfen voraussah, trat ein: Kienast stand auf und bat ihn um ein Wort unter vier Augen... Da aber klingelte der Premierleutnant heftig ans Glas, stramm schnellte er vom Sitz. Der schon vorgeschrittene Lärm des Festes brach jäh ab; man sah an Karnaukes gespitzten Fingern ein blaues Band hängen und darunter ein Kreuz, dessen Rand golden funkelte... Ah! und Tumult und Glückwünsche. Diederich reichte beide Hände hin, eine Seligkeit, kaum zu ertragen, flutete ihm vom Herzen in den Hals, er redete von selbst und bevor er wußte, was. »Seine Majestät... Unerhörte Gnade... Bescheidene Verdienste, nie wankende Treue...« Er dienerte, er legte, wie Karnauke ihm das Kreuz überreichte, die Hand auf das Herz, schloß die Augen und versank: so als stände vor ihm ein anderer, der Geber selbst. Unter der Gnadensonne fühlte Diederich, dies war die Rettung und der Sieg. Wulckow hielt den Pakt. Die Macht hielt Diederich den Pakt! Der Kronenorden vierter Klasse blitzte, und es ward Ereignis, das Denkmal Wilhelms des Großen und Gausenfeld, Geschäft und Ruhm!
Der Aufbruch drängte. Kienast, immerhin bewegt und eingeschüchtert, bekam einige Worte allgemeinen Inhalts hingeworfen, von herrlichen Tagen, denen er entgegengeführt werden sollte, von großen Dingen, die man mit ihm und der ganzen Familie vorhabe — und fort war Diederich mit Guste.
Sie bestiegen die erste Klasse, er spendete drei Mark und zog die Vorhänge zu. Sein vom Glück beschwingter Tatendrang litt keinen Aufschub, Guste hätte so viel Temperament nie erwartet. »Du bist doch nicht wie Lohengrin«, bemerkte sie. Als sie aber schon hinglitt und die Augen schloß, richtete Diederich sich
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