Der Untertan
Arbeiterentlassungen kamen, die die »Netziger Zeitung« so sehr bedauerte. Der alte Buck, als Vorsitzender des Aufsichtsrates, mußte sie leider persönlich anregen, was ihm allgemein schadete. Die Regierung ging wahrscheinlich nur wegen des alten Buck so scharf vor. Es war ein Fehler gewesen, ihn zum Vorsitzenden zu wählen. Überhaupt hätte er mit dem Geld, das Heßling ihm anständigerweise gegeben hatte, lieber Schulden bezahlen sollen, statt Gausenfelder Aktien zu kaufen. Diederich selbst äußerte überall diese Ansicht. »Wer hätte das früher von ihm gedacht!« bemerkte er auch hierzu wieder, und wieder tat er einen gedankenvollen Blick in das Schicksal. »Man sieht, wozu einer imstande ist, der den Boden unter den Füßen verliert.« Worauf jeder den beklemmenden Eindruck mitnahm, der alte Buck werde auch ihn selbst, als Aktionär von Gausenfeld, in seinen Ruin hineinreißen. Denn die Aktien fielen. Infolge der Entlassungen drohte ein Streik: sie fielen noch tiefer... Hier machte Kienast sich Freunde. Kienast war unvermutet in Netzig eingetroffen, zur Erholung, wie er sagte. Keiner gestand es gern dem andern ein, daß er Gausenfelder hatte und hereingefallen war. Kienast hinterbrachte es dem, daß jener schon verkauft habe. Seine persönliche Meinung war, daß es hohe Zeit sei. Ein Makler, den er übrigens nicht kannte, saß dann und dann im Café und kaufte. Einige Monate später brachte die Zeitung ein tägliches Inserat des Bankhauses Sanft & Co. Wer noch Gausenfelder hatte, konnte sie hier mühelos abstoßen. Tatsächlich besaß zu Anfang des Herbstes kein Mensch mehr die faulen Papiere. Dagegen ging das Gerede, Heßling und Gausenfeld sollten fusioniert werden. Diederich zeigte sich verwundert. »Und der alte Herr Buck?« fragte er. »Als Vorsitzender des Aufsichtsrates wird er wohl noch mitreden wollen. Oder hat er selbst schon verkauft?« — »Der hat mehr Sorgen«, hieß es dann. Denn in seiner Beleidigungssache gegen die »Volksstimme« war jetzt die Verhandlung anberaumt. »Er wird wohl hineinfliegen«, meinte man; und Diederich, mit vollkommener Sachlichkeit: »Schade um ihn. Dann hat er in seinem letzten Aufsichtsrat gesessen.«
In diesem Vorgefühl gingen alle zu der Verhandlung. Die auftretenden Zeugen erinnerten sich nicht. Klüsing hatte schon längst zu jedem vom Verkauf der Fabrik gesprochen. Hatte er von jenem Terrain besonders gesprochen? Und hatte er als den Unterhändler den alten Buck genannt? Dies alles blieb zweifelhaft. In den Kreisen der Stadtverordneten war bekannt gewesen, daß das Grundstück in Frage komme für das damals in Aussicht genommene Säuglingsheim. War Buck dafür gewesen? Jedenfalls nicht dagegen. Mehreren war es aufgefallen, wie lebhaft er sich für den Platz interessierte. Klüsing selbst, der noch immer krank war, hatte in seiner kommissarischen Vernehmung ausgesagt, sein Freund Buck sei bis vor kurzem bei ihm ein und aus gegangen. Wenn Buck ihm von dem Vorkaufsrecht auf das Terrain gesprochen haben sollte, so habe er dies keinesfalls in einem für Buck ehrenrührigen Sinne aufgefaßt... Der Kläger Buck wünschte festgestellt zu sehen, daß der verstorbene Kühlemann es gewesen sei, der mit Klüsing verhandelt habe: Kühlemann selbst, der Spender des Geldes. Aber die Feststellung mißlang, Klüsings Aussage war unentschieden auch hierin. Daß Cohn es behauptete, war nicht wesentlich, da Cohn ein Interesse hatte, seinen eigenen Besuch in Gausenfeld harmlos erscheinen zu lassen. Als gewichtigster Zeuge blieb Diederich übrig, dem Klüsing geschrieben und der gleich darauf mit ihm eine Unterredung gehabt hatte. War damals ein Name gefallen? Er sagte aus: »Mir lag nicht daran, den oder jenen Namen zu erfahren. Ich stelle fest, daß ich, was alle Zeugen bestätigen, niemals öffentlich den Namen des Herrn Buck genannt habe. Mein Interesse in der Sache war einzig das der Stadt, die nicht durch einzelne geschädigt werden sollte. Ich bin für die politische Moral eingetreten. Persönliche Gehässigkeit liegt mir fern, und es würde mir leid tun, wenn der Herr Kläger aus dieser Verhandlung nicht ganz vorwurfsfrei hervorgehen sollte.«
Seinen Worten folgte ein anerkennendes Gemurmel. Nur Buck schien unzufrieden; er fuhr auf, rot im Gesicht ... Diederich sollte nun angeben, welches seine persönliche Auffassung der Sache sei. Er setzte an: da trat Buck vor, straff aufgerichtet, und seine Augen flammten wieder, wie in der tragisch verlaufenen
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