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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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Wahlversammlung.
    »Ich erlasse es dem Herrn Zeugen, ein schonendes Gutachten abzugeben über meine Person und mein Leben. Er ist nicht der Mann dazu. Seine Erfolge sind mit anderen Mitteln erreicht als die meinen, und sie haben einen anderen Gegenstand. Mein Haus war immer jedem offen und zugänglich, auch dem Herrn Zeugen. Mein Leben gehört seit mehr als fünfzig Jahren nicht mir, es gehört einem Gedanken, den zu meiner Zeit mehrere hatten, der Gerechtigkeit und dem Wohl aller. Ich war vermögend, als ich in die Öffentlichkeit trat. Wenn ich sie verlasse, werde ich arm sein. Ich brauche keine Verteidigung!«
    Er schwieg, sein Gesicht zitterte noch — aber Diederich zuckte nur die Achseln. Auf welche Erfolge berief sich der Alte? Er hatte schon längst keine mehr und brachte nun hohle Worte vor, auf die niemand eine Hypothek gab. Er tat erhaben und befand sich schon unter den Rädern. Konnte ein Mensch seine Lage so sehr verkennen? »Wenn einer von uns den andern von oben herab zu behandeln hat —« Und Diederich blitzte. Er blitzte den Alten, der vergebens flammte, einfach nieder, und diesmal endgültig, mitsamt der Gerechtigkeit und dem Wohl aller. Zuerst das eigene Wohl — und gerecht war die Sache, die Erfolg hatte!... Er fühlte deutlich, daß dies für alle feststand. Auch der Alte fühlte es, er setzte sich wieder, er bekam runde Schultern, in seine Miene trat etwas wie Scham. Zu den Schöffen gewendet, sagte er: »Ich verlange keine Ausnahmestellung, ich unterwerfe mich dem Urteil meiner Mitbürger.«
    Worauf denn Diederich, als sei nichts geschehen, in seiner Aussage fortfuhr. Sie war wirklich sehr schonend und machte den besten Eindruck. Seit dem Prozeß Lauer fand man ihn durchaus günstig verändert; er hatte an überlegener Ruhe gewonnen, was freilich kein Kunststück hieß, da er jetzt ein gemachter Mann und fein heraus war. Grade schlug es Mittag, und im Saal verbreitete sich summend das Neueste aus der »Netziger Zeitung«: es war Tatsache, Heßling, Großaktionär von Gausenfeld, war als Generaldirektor berufen worden... Neugierig musterte man ihn — und ihm gegenüber den alten Buck, auf dessen Kosten er Seide gesponnen hatte. Die zwanzigtausend, die er dem Alten zuletzt noch geliehen hatte, bekam er nun mit hundert Prozent zurück, und war noch edel. Daß der Alte sich für das Geld grade Gausenfelder gekauft hatte, wirkte wie ein guter Witz von Heßling und tröstete im Augenblick manchen über den eigenen Verlust. Bei Diederichs Abgang schwieg man an seinem Wege. Die Grüße drückten Achtung in dem Grade aus, wo sie in Unterwürfigkeit übergeht. Die Hereingefallenen grüßten den Erfolg.
    Mit dem alten Buck verfuhren sie unwirscher. Als der Vorsitzende das Urteil verkündete, ward geklatscht. Nur fünfzig Mark für den Redakteur der »Volksstimme«! Der Beweis war nicht vollständig erbracht, guter Glaube ward zugebilligt. Vernichtend für den Kläger, sagten die Juristen — und wie Buck das Gerichtsgebäude verließ, wichen auch die Freunde ihm aus. Kleine Leute, die an Gausenfeld ihre Ersparnisse verloren hatten, schüttelten die Fäuste hinter ihm her. Und allen brachte dieser Spruch des Gerichts die Erleuchtung, daß sie mit ihrer Meinung über den alten Buck eigentlich schon längst fertig waren. Ein Geschäft wie das mit dem Terrain für das Säuglingsheim mußte wenigstens glücken: das Wort war von Heßling, und es stimmte. Aber daran lag es: dem alten Buck war seiner Lebtage kein Geschäft geglückt. Er dünkte sich was Wunder, wenn er als Stadtvater und Parteiführer mit Schulden abschnitt. Faule Kunden gab es noch mehr! Der geschäftlichen Fragwürdigkeit aber entsprach die moralische, dafür zeugte die nie recht aufgeklärte Geschichte mit der Verlobung seines Sohnes, desselben, der sich jetzt beim Theater umhertrieb. Und Bucks Politik? Eine internationale Gesinnung, immer nur Opfer fordern für demagogische Zwecke, aber wie Hund und Katz mit der Regierung, was dann wieder auf die Geschäfte zurückwirkte: das war die Politik eines Menschen, der nichts mehr zu verlieren hat und dem es an gutbürgerlicher Mündelsicherheit gebricht. Entrüstet erkannte man, daß man sich auf Gedeih und Verderb in der Hand eines Abenteurers befunden hatte. Ihn unschädlich zu machen war der allgemeine Herzenswunsch. Da er von selbst aus dem vernichtenden Urteil die Folgerungen nicht zog, mußten andere sie ihm nahelegen. Das Verwaltungsrecht enthielt doch wohl eine Bestimmung, wonach ein

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