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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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aber deinen Vater lassen wir lieber aus dem Spiel. Beziehungen wie die unseren soll man mit Familienfreundschaft nicht verquicken. Mein sittliches Gefühl verlangt da reinliche Scheidung.«
    Ein Augenblick verging, dann stand Agnes auf, als habe sie jetzt begriffen. Sie war tief errötet. Sie ging zur Tür. Diederich holte sie ein. »Aber Agnes, so hab ich es doch nicht gemeint. Es war doch nur, weil ich dich viel zu sehr achte — Und ich kann ja auch wiederkommen Sonntag.« Sie ließ ihn reden, mit unbewegter Miene. »Nun sei doch wieder gemütlich«, bat er. »Du hast noch nicht mal deinen Hut abgenommen.« Sie tat es. Er verlangte, sie solle sich auf den Diwan setzen, und sie setzte sich. Sie küßte ihn auch, wie er es wollte. Aber indes ihre Lippen lächelten und küßten, blieben ihre Augen starr und unbeteiligt. Plötzlich riß sie ihn in ihre Arme: er erschrak, er wußte nicht, ob es Haß war. Aber dann fühlte er sich heißer geliebt als je.
    »Heute war es aber wirklich schön. Was, meine kleine süße Agnes?« sagte Diederich, zufrieden und gutmütig.
    »Adieu«, sagte sie, hastend nach Schirm und Beutel, während er sich erst ankleidete.
    »Du hast es aber eilig.« — »Weiter kann ich wohl nichts für dich tun.« Sie war schon bei der Tür — plötzlich fiel sie mit der Schulter gegen den Pfosten und rührte sich nicht mehr. »Was ist denn los?« Wie Diederich näher kam, sah er sie schluchzen. Er berührte sie. »Ja, was hast du denn?« Da ward ihr Weinen laut und krampfhaft. Es hörte nicht auf. »Aber Agnes«, sagte Diederich von Zeit zu Zeit, »was ist auf einmal geschehen, wir waren doch so vergnügt.« Und ganz ratlos: »Hab ich dir was getan?« Zwischen den Krisen und halb erstickt, brachte sie hervor: »Ich kann nicht. Entschuldige.« Er trug sie auf den Diwan. Als es endlich vorbei war, schämte Agnes sich. »Verzeih! Ich kann nicht dafür.« — »Kann denn ich dafür?« — »Nein, nein. Es sind die Nerven. Verzeih!«
    Mitleidig und geduldig brachte er sie bis zu einem Wagen. Nachträglich aber erschien ihm auch der Anfall als halbe Komödie und als eins der Mittel, die ihn endgültig einfangen sollten. Das Gefühl verließ ihn nicht mehr, daß Ränke gesponnen wurden gegen seine Freiheit und seine Zukunft. Er wehrte sich dagegen vermittelst schroffen Auftretens, Betonung seiner männlichen Selbständigkeit und durch Kälte, sobald die Stimmung weich ward. Sonntags bei Göppels war er auf seiner Hut, wie in Feindesland: korrekt und unzugänglich. Wann seine Arbeit denn nun fertig werde, fragten sie. Er könnte die Lösung morgen finden oder erst in zwei Jahren, das wisse er selbst nicht. Er betonte, daß er auch künftig finanziell abhängig von seiner Mutter bleibe. Er werde noch lange für nichts Zeit haben als einzig für das Geschäft. Und da Herr Göppel die idealen Werte des Lebens zu bedenken gab, lehnte Diederich barsch ab. »Noch gestern hab ich meinen Schiller verkauft. Denn ich habe keinen Sparren und laß mir nichts vormachen.« Wenn er nach solchen Worten Agnes' stummen und betrübten Blick auf sich fühlte, hatte er wohl einen Augenblick die Empfindung, als habe nicht er selbst gesprochen, als gehe er im Nebel, rede falsch und handle wider Willen. Aber das verging.
    Agnes kam, sooft er sie bestellte, und ging fort, wenn es Zeit für ihn war, zu arbeiten oder zu kneipen. Sie verführte ihn nicht mehr zu Träumereien vor Bildern, seit er einmal an einem Wurstgeschäft angehalten und ihr erklärt hatte, das sei für ihn der schönste Kunstgenuß. Ihm selbst fiel es endlich auf das Herz, wie selten sie sich nur noch sahen. Er warf ihr vor, daß sie nicht darauf dringe, öfter zu kommen. »Früher warst du ganz anders.« — »Ich muß warten«, sagte sie. — »Worauf?« — »Daß auch du wieder so wirst. Oh! Ich weiß ganz sicher, es wird kommen.«
    Er schwieg, aus Furcht vor Auseinandersetzungen. Dennoch kam es, wie sie gesagt hatte. Seine Arbeit war endlich beendet und gutgeheißen, er hatte nur noch eine belanglose mündliche Prüfung zu bestehen und war in der gehobenen Stimmung einer Lebenswende. Wie Agnes ihm ihren Glückwunsch brachte und Rosen dazu, brach er in Tränen aus und sagte, daß er sie immer, immer liebhaben werde. Sie berichtete, daß Herr Göppel soeben eine mehrtägige Geschäftsreise antrete. »Und nun ist das Wetter so wunderschön...« Diederich fiel sofort ein: »Das müssen wir benutzen! Solche Gelegenheit haben wir noch nie gehabt!« Sie beschlossen,

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