Der Untertan
Kienast noch«, bat Magda. Kienast ließ sie sich von ihr anzünden und hoffte, die Damen nochmals begrüßen zu können — wobei er Magda verheißungsvoll anlächelte. Aber im Hof änderte auch er vollständig den Ton. »Na ja, das sind auch noch alte, enge Lokalitäten«, bemerkte er kalt und wegwerfend. »Sie sollten mal unsere Anlagen sehen.«
»In einem Nest wie Eschweiler«, erwiderte Diederich genauso verächtlich, »da ist es kein Kunststück. Reißen Sie mal hier den Häuserblock nieder!« Und dann rief er im schärfsten Befehlston nach dem Maschinenmeister, damit er den neuen Holländer in Betrieb setze. Da Napoleon Fischer nicht sofort kam, stürmte Diederich hin. »Sie sitzen wohl auf Ihren Ohren, Herr?« Aber sobald er ihm gegenüberstand, verstummte sein Geschrei; mit leiser, fliegender Stimme, die Augen angestrengt aufgerissen, sagte er: »Fischer, ich hab es mir überlegt, ich bin mit Ihnen zufrieden, vom Ersten ab erhöhe ich Ihr Gehalt auf hundertachtzig Mark.« Darauf nickte Napoleon Fischer kurz und verständnisvoll, und sie trennten sich. Sogleich begann Diederich wieder zu schreien. Die Leute hatten geraucht. Sie behaupteten, es sei nur seine eigene Zigarre, die er rieche. Zu dem Vertreter von Büschli & Cie. sagte er: »Übrigens bin ich versichert, aber Zucht muß sein. Tadelloser Betrieb, wie?«
»Veraltetes Aggregat«, entgegnete Herr Kienast, mit einem lieblosen Blick auf die Maschinen. Diederich versetzte höhnisch: »Weiß ich, mein Bester. Aber so gut wie Ihr Holländer allemal.« Trotz Kienasts Protest fuhr er fort, die Leistungsfähigkeit der einheimischen Industrie herabzusetzen. Mit seiner neuen Einrichtung warte er bis zu seiner Reise nach England. Er gehe großzügig vor. Seit er selbst an der Spitze des Betriebes stehe, sei das Geschäft mächtig im Aufschwung. »Und es ist immer noch ausdehnungsfähig.« Er erfand. »Jetzt hab ich Verträge mit zwanzig Kreisblättern. Die Berliner Warenhäuser machen mich überhaupt wahnsinnig...« Kienast unterbrach schneidend: »Dann haben Sie wohl grade alles abgeliefert, denn ich sehe nirgends fertige Ware.«
Diederich empörte sich. »Herr! Soll ich Ihnen was sagen? Erst gestern hab ich an sämtliche kleinen Kunden ein Rundschreiben geschickt: bis zur Vollendung meines Neubaus könne ich nichts mehr liefern.«
Der Maschinenmeister holte die Herren. Der neue Patent-Holländer war halb gefüllt, aber die Stoffbewegung blieb noch sehr schwach, der Arbeiter half mit dem Rührscheit nach. Diederich hielt die Uhr in der Hand. »Na also. Sie behaupten, in Ihrem Holländer braucht der Stoff für einen Umgang zwanzig bis dreißig Sekunden: ich zähle schon fünfzig... Maschinenmeister, den Stoff ablassen... Was ist denn los, das dauert ja ewig!«
Kienast hatte sich über die Schale gebeugt. Er richtete sich auf, er lächelte gewitzigt. »Ja, wenn die Ventile verstopft sind...« Und mit einem scharfen Blick in die Augen Diederichs, die nicht standhielten: »Was sonst noch mit dem Holländer angestellt ist, kann ich in der Eile nicht sehen.« Diederich fuhr empor, plötzlich sehr rot. »Wollen Sie mir vielleicht insinuieren, daß ich mit meinem Maschinenmeister —?«
»Ich habe nichts gesagt«, stellte Kienast fest.
»Das müßte ich mir auch energisch verbitten.« Diederich blitzte. Auf Kienast schien es keinen Eindruck zu machen, er behielt seine kalten Augen und das abgefeimte Grinsen in seinem am Kinn auseinandergebürsteten Bart. Wenn er sich rasiert und den Schnurrbart bis zu den Augenwinkeln hinaufgebunden haben würde, er hätte Ähnlichkeit mit Diederich bekommen! Er war eine Macht! Um so drohender trat Diederich auf. »Mein Maschinenmeister ist Sozialdemokrat: daß er mir einen Gefallen tun soll, ist lachhaft. Übrigens mache ich, als Reserveoffizier, Sie auf die Folgen Ihrer Äußerung aufmerksam!«
Kienast trat in den Hof hinaus. »Lassen Sie das nur, Herr Doktor«, sagte er kühl. »In Geschäften bin ich nüchtern, das hab ich Ihnen schon beim Frühstück gesagt. Jetzt brauch ich Ihnen nur noch zu wiederholen, daß wir den Holländer in tadellosem Zustand geliefert haben und an Rücknahme nicht denken.« — Das werde man sehen, erklärte Diederich. Einen Prozeß hielten Büschli & Cie. wohl für besonders wirksam, zur Einführung ihres neuen Artikels? »Ich werde Ihnen in den Fachblättern noch eine besondere Empfehlung mitgeben!« Darauf Kienast: Auf Erpressungsversuche gehe er nicht ein. Und Diederich: Einen
Weitere Kostenlose Bücher