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Der Judas-Code: Roman

Titel: Der Judas-Code: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Rollins , Norbert Stöbe
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Mitternacht
Insel Sumatra Südostasien
    Die Schreie waren endlich verstummt.
    Zwölf Feuer brannten draußen auf dem Wasser.
    »Il dio, li perdona... «, flüsterte sein Vater, doch Marco wusste, dass Gott ihnen diese Sünde nicht verzeihen würde.
    Eine Handvoll Männer wartete neben den beiden am Strand liegenden Langbooten. Sie waren die einzigen Augenzeugen der Scheiterhaufen, welche die dunkle Lagune erhellten. Bei Mondaufgang hatten sie alle zwölf Schiffe, große Holzdschunken, mitsamt den Toten und den wenigen zum Tode verurteilten Lebenden in Brand gesteckt. Wie mahnende Zeigefinger ragten die brennenden Schiffsmasten in den Himmel. Es stank nach verbranntem Fleisch.
    »Zwölf Schiffe«, murmelte Masseo, Marcos Onkel, die Faust um ein silbernes Kruzifix gekrampft. »Die gleiche Zahl wie die der Apostel.«
    Endlich war das Schmerzgeschrei verstummt. Nur noch das Prasseln und Tosen der Flammen drang an den Strand. Marco hätte sich am liebsten abgewendet, hielt aber stand. Andere waren weniger tapfer als er und knieten mit leichenblassen Gesichtern und dem Rücken zum Wasser im Sand.
    Alle waren splitternackt. Sie hatten sich gegenseitig nach Anzeichen der Krankheit abgesucht. Selbst die Prinzessin vom Hofe des Khans, die aus Gründen der Schicklichkeit hinter einem Sichtschutz aus Segeltuch stand, war bis auf ein juwelenbesetztes Diadem unbekleidet. Marco sah ihren schlanken Körper als dunkle Silhouette von den Flammen abgehoben durch das Tuch hindurchschimmern.
Ihre ebenfalls nackten Dienerinnen hatten sich zu ihrer Herrin gesellt. Sie hieß Kokejin, die Blaue Prinzessin, und war siebzehn Jahre alt. Marco war ebenso alt gewesen wie sie, als er von Venedig aufgebrochen war. Der Großkhan hatte die Polos beauftragt, sie wohlbehalten ihrem zukünftigen Bräutigam, dem Schah von Persien und Enkel von Kublai Khans Bruder, zu übergeben.
    Das war in einem anderen Leben gewesen.
    War es wirklich erst vier Monate her, dass die Besatzung des ersten Schiffes erkrankt war und in der Leistengegend und den Achselhöhlen Schwellungen bekommen hatte? Die Krankheit hatte sich ausgebreitet wie brennendes Öl, hatte die Besatzungsmitglieder dahingerafft und dazu geführt, dass sie auf dieser von Kannibalen und fremdartigen Tieren bewohnten Insel hatten ausharren müssen.
    Auch jetzt wieder drang das Geräusch von Trommeln aus dem finsteren Dschungel hervor. Allerdings hüteten sich die Wilden davor, sich dem Lager zu nähern, so wie ein Wolf um kranke Schafe einen Bogen macht. Die einzigen Spuren ihrer Anwesenheit waren die Totenschädel, die an durch die Augenhöhlen geführten Schlingpflanzen von Baumästen hingen und die Fremden wohl am weiteren Vordringen hindern sollten.
    Die Krankheit hatte die Wilden bislang abgeschreckt.
    Damit war nun Schluss.
    Jetzt, da mit den brennenden Schiffen auch die letzten Krankheitsträger verschwunden waren, gab es nur noch eine Handvoll Überlebende.
    Die Männer und Frauen, die keine geröteten Schwellungen aufwiesen.
    Vor einer Woche hatten sie sämtliche Kranken in Ketten gelegt, auf die vor Anker liegenden Schiffe geschleppt und ihnen Wasser und Nahrung dagelassen. Die anderen hatten am Ufer auf neue Anzeichen einer Erkrankung gewartet. Währendessen hatten die auf die Schiffe Verbannten gejammert, um Hilfe gerufen, geflucht und geschrien. Am schlimmsten aber war das Gelächter der Wahnsinnigen gewesen.
    Besser wäre es gewesen, ihnen allen den Gnadenstoß zu versetzen,
doch sie hatten nicht mit dem Blut der Erkrankten in Berührung kommen wollen. Deshalb hatten sie sie auf die Schiffe gebracht und zusammen mit den Toten dort zurückgelassen.
    Abends bei Sonnenuntergang hatte das Wasser um die Kiele zweier Boote herum zu leuchten begonnen. Das Leuchten hatte sich auf der glatten, schwarzen Wasserfläche ausgebreitet wie verschüttete Milch. Dieses Phänomen kannten sie von den Teichen und Kanälen am Fuße der Türme der verfluchten Stadt, aus der sie geflohen waren.
    Die Krankheit hatte versucht, aus dem hölzernen Gefängnis zu entkommen.
    Da war ihnen keine andere Wahl geblieben.
    Sie hatten sämtliche Dschunken bis auf die eine, mit der sie selber in See stechen wollten, in Brand gesteckt.
    Marcos Onkel Masseo ging zwischen den verbliebenen Männern umher. Er befahl ihnen, ihre Blöße wieder zu bedecken, doch ihre Beschämung vermochten Webstoff und Wolle nicht zu verbergen.
    »Was haben wir getan...«, flüsterte Marco.
    »Wir dürfen nicht davon sprechen«, sagte sein

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