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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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Platz an und ließ sich zu seiner Rechten nieder; und als man eben erst saß und sich noch räusperte, sagte sie schon, mit fieberhaft belebten Augen: »Jetzt sind die Herren aber mit den dummen Geschäften fertig.« Diederich bestätigte, sie seien glänzend miteinander fertig geworden. Büschli & Cie. seien kulante Leute.
    »Bei unserem Riesenbetrieb«, erklärte der Prokurist. »Zwölfhundert Arbeiter und Beamte, eine ganze Stadt mit einem eigenen Hotel für die Kunden.« Er lud Diederich ein. »Kommen Sie nur, bei uns leben Sie vornehm und umsonst.« Und da Magda neben ihm an seinen Lippen hing, rühmte er seine Stellung, seine Machtbefugnisse, die Villa, die er zur Hälfte bewohnte. »Wenn ich mich verheirate, kriege ich auch die andere Hälfte.«
    Diederich lachte dröhnend. »Dann wäre es wohl das einfachste, Sie heiraten. Na prost!«
    Magda schlug die Augen nieder, und Herr Kienast ging zu etwas anderem über. Ob Diederich auch wisse, warum er ihm so leicht entgegengekommen sei? »Ihnen, Herr Doktor, hab ich nämlich gleich angesehen, daß mit Ihnen später noch große Sachen zu machen sein werden — wenn es hier jetzt auch noch etwas kleine Verhältnisse sind«, setzte er nachsichtig hinzu. Diederich wollte seine Großzügigkeit und die Ausdehnungsfähigkeit seines Unternehmens beteuern, aber Kienast ließ sich seinen Gedankengang nicht abschneiden. Menschenkenntnis sei nämlich seine Spezialität. Einen Geschäftsfreund müsse man vor allem auch in seinem Heim aufsuchen. »Wenn da alles so wohl bestellt ist wie hier —«
    Grade ward die duftende Gans aufgetragen, nach der Frau Heßling schon mehrmals heimlich ausgeblickt hatte. Schnell gab sie sich eine Miene, als sei die Gans eine höchst gewöhnliche Erscheinung. Herr Kienast machte trotzdem eine anerkennende Pause. Frau Heßling fragte sich, ob sein Blick wirklich auf der Gans oder, hinter ihrem süßen Qualm, auf Magdas durchbrochener Bluse ruhe. Jetzt riß er sich los und ergriff sein Glas. »Und darum: Auf die Familie Heßling, auf die verehrte mütterliche Hausfrau und ihre blühenden Töchter!« Magda wölbte die Brust, um das Blühen anschaulicher zu machen, und um so flacher sah Emmi aus. Auch stieß Herr Kienast zuerst mit Magda an.
    Diederich erwiderte seinen Toast. »Wir sind eine deutsche Familie. Wen wir in unser Haus aufgenommen haben, den nehmen wir auch in unsere Herzen auf.« Er hatte Tränen in den Augen, indes Magda wieder einmal errötete. »Und wenn es auch nur ein bescheidenes Haus ist, die Herzen sind treu.« Er ließ den Gast hochleben, der seinerseits versicherte, er sei immer für Bescheidenheit gewesen, »besonders in Familien, wo junge Mädchen sind«.
    Frau Heßling griff ein. »Nicht wahr? Woher soll denn sonst ein junger Mann den Mut nehmen —? Meine Töchter schneidern alles selbst.« Dies war für Herrn Kienast das Stichwort, sich über Magdas Bluse zu beugen behufs eingehender Würdigung.
    Zum Nachtisch schälte sie ihm eine Apfelsine und nippte ihm zu Ehren vom Tokaier. Wie man dann ins Wohnzimmer ging, blieb Diederich, die Arme um seine beiden Schwestern geschlungen, in der Tür stehen. »Ja, ja, Herr Kienast«, sagte er mit tiefer Stimme. »Das ist der Familienfriede, den sehen Sie sich nur an, Herr Kienast!« Magda schmiegte sich, ganz Hingebung, an seine Schulter. Da Emmi von ihm fortstrebte, bekam sie rückwärts einen Stoß. »So geht es immer bei uns zu«, fuhr Diederich fort. »Ich arbeite den ganzen Tag für die Meinen, und der Abend vereint uns dann hier beim Lampenschimmer. Um die Leute da draußen und den Klüngel unserer sogenannten Gesellschaft kümmern wir uns sowenig wie möglich, wir haben an uns selbst genug.«
    Hier gelang es Emmi, sich loszumachen; man hörte sie draußen eine Tür zuschlagen. Ein um so zärtlicheres Bild boten Diederich und Magda, wie sie sich am mild beglänzten Tisch niederließen. Herr Kienast sah nachdenklich den Punsch kommen, den Frau Heßling in mächtiger Bowle still lächelnd hereintrug. Indes Magda dem Gast das Glas füllte, setzte Diederich auseinander, daß er dank dieser Beschränkung auf die stille Häuslichkeit imstande sein werde, seine Schwestern einmal gut zu verheiraten. »Denn der Aufschwung des Geschäftes kommt den Mädchen zugut, die Fabrik gehört ihnen mit, ganz abgesehen von der baren Mitgift; na, und wenn dann einer meiner künftigen Schwäger auch noch sein Kapital in den Betrieb stecken will —«
    Aber Magda, die Herrn Kienasts Miene besorgt werden

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